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Gewerkschafter fordern Sozialpakt für Bretagne

Jean-Luc Feillant: Auch Deutschland muss Sozialdumping stoppen

  • Lesedauer: 3 Min.
Der Abbau von Arbeitsplätzen hat in der westfranzösischen Bretagne Massenproteste ausgelöst. Anfang November demonstrierten in Quimper bis zu 30 000 Bretonen – viele mit roten Mützen als Symbol des Widerstands gegen die Regierung in Paris. Für dieses Wochenende haben Gewerkschaften erneut zu Streiks in der bretonischen Lebensmittelindustrie aufgerufen. Jean-Luc Feillant ist bei der Gewerkschaft CFDT für die Branche in der Region verantwortlich. Im nd-Gespräch mit Robert Schmidt beklagt er Versäumnisse der Firmenchefs, rechte Mitdemonstranten und Lohndumping bei der deutschen Konkurrenz.

nd: In der Bretagne sind 3500 Stellen in der Lebensmittelindustrie in Gefahr. Was empfinden die Menschen, die es seit Monaten auf die Straße zieht?
Jean-Luc Feillant: In der Lebensmittelbranche, einer der wirtschaftlichen Säulen der Bretagne, werden die Arbeiter für eine schwierige Arbeit bei Regen und Kälte schlecht bezahlt. Viele von ihnen leiden inzwischen auch unter Muskel- und Skeletterkrankungen. Hinzu kommt, dass sie schlecht geschult worden sind. Im Laufe der Jahre haben sie ihre Fähigkeit zu lernen verloren. Aus diesem Grund werden sie es künftig schwer haben, eine Arbeit zu finden.

Gleich vier große Unternehmen in der Region haben binnen eines Jahres Stellen abgebaut, besonders betroffen sind die Schweine- und die Geflügelindustrie. Als Beispiel kann man die Gruppe Doux nennen. Das Unternehmen hat es schlicht versäumt, sich auf das seit Jahren angekündigte Auslaufen der europäischen Subventionen vorzubereiten. Außerdem gibt es das Problem, dass sich viele Landwirte gegenseitig Konkurrenz machen, anstatt die Branche gemeinsam zu modernisieren und die Wertschöpfung zu steigern.

Sie fordern zu dem von der Regierung geplanten »Zukunftspakt« für die Bretagne auch einen »Sozialpakt«. Was stellen Sie sich darunter vor?
Der Pakt muss von den und für die Bretonen geschrieben werden. Aus diesem Grund haben wir uns der Arbeitsgruppe der Regierung angeschlossen. Wir wollen gehört werden. Wir verlangen, dass den Unternehmen geholfen wird, sich neu aufzustellen, um die Wertschöpfung wieder anzukurbeln. Wir brauchen Forschung, Innovationen und Absatz. Arbeits- und Schulungsmöglichkeiten müssen verbessert werden.

Eine Zahl vielleicht: Wir produzieren jedes Jahr 1,4 Millionen Tonnen Schweinefleisch, eine Million davon verlässt die Region, ohne dass das Fleisch verarbeitet wurde. Das schwächt die Produzenten.

Im Fernsehen sieht man demonstrierende bretonische Bauern gemeinsam mit Mitgliedern rechtsextremer Vereinigungen. Jean-Marie Le Pen, Gründer und ehemaliger Vorsitzende der Front National, hat sich sogar letztens mit einer berühmten »Bonnet rouge« (roten Mütze) gezeigt. Was ist mit dem Symbol der bretonischen Arbeiter passiert?
Es gibt gegenwärtig jede Menge Bewegungen, darunter auch die der »Roten Mützen«, der sich unsere Gewerkschaft nicht angeschlossen hat. Das ist ein Zusammenschluss von ganz rechts bis ganz links, der die Arbeiter manipuliert. Das Problem ist auch, dass sich die größte Bauerngewerkschaft hart am rechten Rand bewegt. Für uns stinkt das Ganze zum Himmel.

Was uns noch ärgert, ist auch Folgendes: Unter den Demonstrierenden entdecken wir unsere Chefs, die wir als eigentliche Verantwortliche der Krise in der Branche ansehen. Wir sehen es nicht ein, mit Leuten gemeinsam zu demonstrieren, die den Karren selbst gegen die Wand gefahren haben.

Welche Rolle spielt Deutschland für Sie?
Das ist für uns der größte Konkurrent. Ein Mindestlohn in Deutschland ist unbedingt wichtig, damit Sozialdumping in Europa verhindert wird und die Wettbewerbsbedingen fair sind. Wir können überdies nicht akzeptieren, dass Kollegen aus Osteuropa unter so schlechten Bedingungen arbeiten, weder in Deutschland noch in Frankreich. Denn überall ist die Versuchung groß, Arbeitskräfte zu Niedriglöhnen zu beschäftigen. Es ist klar, dass das Sozialdumping in der Fleischindustrie in Deutschland ein wichtiger Faktor für die Situation in der Bretagne ist. Gewiss müssen wir für die Bretagne Lösungen finden, aber auch in Deutschland müssen unbedingt Lösungen gefunden werden, um dieses Sozialdumping zu stoppen.

Eines bewundere ich aber bei den Deutschen: Sie heulen nicht rum und zeigen nicht mit dem Finger auf die Konkurrenz aus dem Ausland. Die Deutschen konzentrieren sich stattdessen auf ihre Stärken.

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