Wir glauben an diesen Prozess

Klimaschutzaktivist Kyle Ash zur Rolle von Nichtregierungsorganisationen auf UN-Gipfeln

  • Lesedauer: 4 Min.
Der Politikwissenschaftler Kyle Ash ist bei Greenpeace USA zuständig für den Bereich nationale und internationale Klimaschutzpolitik. Mit ihm sprach in Warschau Lea Meister.

nd: Mit welchen Erwartungen waren die Nichtregierungsorganisationen zur Klimakonferenz nach Warschau gekommen? Welche Ergebnisse wollten Sie sehen?
Kyle Ash: Wir hatten und haben natürlich sehr viele verschiedene Anliegen. Auf einer Klimakonferenz werden ja etliche Themen angesprochen. Aber wir haben nur noch zwei UN-Konferenzen, bis ein internationales Klimaschutzabkommen stehen muss. Deshalb wollten wir, dass die Staaten in Warschau beschließen, bis wann sie die Emissionsreduktionsziele für die Zeit nach 2020 auf den Tisch legen. Unser Ziel ist, dass die Länder ihre Ziele schon 2014 festlegen, so dass sie noch vor der geplanten Verabschiedung des Abkommens 2015 auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden können.

Der zweite wichtige Punkt ist die Ausarbeitung eines Mechanismus’ zu »Loss-and-Damage« (Umgang mit klimabedingten Schäden und Verlusten, d.Red.). In der Vergangenheit haben sich vor allem die reichen Länder von dieser ganzen Idee zurückgezogen. Die USA wollten das nicht als eigenständiges Thema betrachten. Die reichen Länder müssen das Thema ernster nehmen und außerdem Zusagen für die Klimafinanzierung machen. Insbesondere müssen sie festlegen, wie viel Geld sie in den »Grünen Klimafonds« (für Klimaschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern, d.Red.) einzahlen wollen.

Wann war der Punkt erreicht, an dem die Nichtregierungsorganisationen beschlossen haben, die Konferenz zu boykottieren?
Als die Verhandlungen allmählich ihrem Ende entgegengingen, haben wir einzuschätzen versucht, was die Gespräche bisher gebracht hatten. Am Donnerstagmorgen war es sehr klar, dass die ganze Konferenz von den Regierungen dazu genutzt wurde, andere Ziele zu verfolgen als den Klimaschutz. Die polnische Regierung hat das sehr deutlich gemacht, als sie einen Kohlegipfel parallel zur Klimakonferenz organisierte. Japan und Australien sind gekommen, um anzukündigen, dass sie noch weniger Ambitionen haben als bisher. Es war sehr klar, dass hier nichts von dem erreicht wird, was wir uns erhofft hatten - oder sonst etwas, was sinnvoll für den Klimaschutz wäre.

Die Nichtregierungsorganisationen haben erklärt, auch gegen die massive Einflussnahme der Wirtschaft auf die Konferenz zu protestieren.
Gruppen aus der Wirtschaft sind bei solchen Verhandlungen immer vertreten. Ihr Ziel ist es, dass niemals ein international bindendes Klimaschutzabkommen zustande kommt. Nichtregierungsorganisationen kommen zu den Klimagipfeln, um sich den Lobbygruppen entgegenzustellen und der Öffentlichkeit zu erklären, was hier vor sich geht. Der Grund, warum wir die Konferenz verlassen haben, ist, dass die Regierungen anscheinend alles getan haben, was die Industrie von ihnen fordert. Es scheint keinen Willen zu geben, auf dieser Konferenz irgendetwas zu erreichen.

Hätten die Nichtregierungsorganisationen nicht schon viel früher ein derart starkes Signal des Protests geben sollen?
Wir glauben an diesen Prozess. Regierungen sollen hier zusammenkommen und einen Weg finden, das Problem des Klimawandels anzugehen. Wir wollen den Leuten draußen erklären, wie das funktioniert, und den Regierungen helfen, Lösungsansätze zu entwickeln. Wir haben den Prozess an sich noch nicht aufgegeben. Wir haben aber den Glauben an die Bereitschaft der Regierungen verloren, irgendetwas auf dieser Konferenz zu erreichen. Deswegen machte es für uns keinen Sinn mehr, an diesem Prozess teilzunehmen. Deswegen fokussieren wir uns jetzt auf die nächste Konferenz, die dann wieder so produktiv wie nur möglich verlaufen soll.

Gibt es schon konkrete Pläne?
Beim nächsten Gipfel Ende 2014 in Lima werden vor allem Nichtregierungsorganisationen aus Südamerika aktiv sein. In Peru müssen die Reduktionsziele der Länder für die Zeit nach 2020 bereits klar sein. Wir haben schon Zielgrößen für bestimmte Länder im Kopf. Auch zur Klimafinanzierung müssen bis dahin unbedingt Zusagen vorliegen.

Warum zeigen die Länder keine Ambitionen?
Die Regierungen nehmen die Klimapolitik nicht mehr ernst - sie wollen nur sicherstellen, dass sie an der Macht bleiben.

Gibt es irgendetwas, was nicht frustrierend war an dieser Konferenz?
Alle anderen Länder haben sich so schlecht dargestellt, dass die USA gut aussahen, obwohl sie auch nichts Neues auf den Tisch gelegt haben. Wenigstens haben die USA nichts unternommen, um die Verhandlungen noch weiter zu blockieren. Positiv war auch die Erklärung von Norwegen, bis 2014 seine Reduktionsziele festlegen zu wollen.

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