Saar-LINKE versucht sich in Versöhnung

  • Oliver Hilt
  • Lesedauer: 3 Min.
Die neu gewählte Vorsitzende Astrid Schramm soll die saarländische Linkspartei aus der Krise und in die Nach-Lafontaine-Ära führen. Die große Aufbruchstimmung blieb aus.

85 Ja-, 40 Nein-Stimmen, eine Enthaltung. Ein Blumenstrauß für die neue saarländische LINKEN-Vorsitzende Astrid Schramm und zustimmender Beifall. Die Stimmung in der kargen Römerhalle in Dillingen liegt irgendwo zwischen zurückhaltender Erleichterung und Abwarten. Überzeugt davon, dass die vielstimmigen Appelle an neue Geschlossenheit und respektvollen Umgang auf fruchtbaren Boden gefallen sind, scheint noch niemand zu sein. Zu tief sind die Klüfte, die zuletzt die Listenaufstellung der saarländischen Linkspartei zur Bundestagswahl im Frühsommer gerissen hat, zu schmerzhaft das Abschneiden im September (mit zehn Prozent nach 21,2 vier Jahre zuvor).

»Ich will mich mit dem politischen Gegner auseinandersetzen und nicht Kraft vergeuden mit fruchtlosen Grabenkämpfen«, hatte Schramm dem Parteitag zugerufen. Die 57-Jährige sitzt seit 2009 im Landtag und ist seit 2007 Kreisvorsitzende in Saarbrücken. Innerparteiliche Demokratie soll »nicht mehr von der Basis angemahnt, sondern von der Spitze vorgelebt« werden.

Schramm galt als Kandidatin des Lagers um Thomas Lutze, der Spitzenkandidat der saarländischen LINKEN im Bundestagswahlkampf war. Eine Gegenkandidatur zu Schramm gab es nicht. Fraktionschef Oskar Lafontaine war dem Parteitag fern geblieben, was nur am Rande thematisiert wurde. Man war es gewohnt: Schon im Wahlkampf hatte er auf Auftritte in seiner Heimat verzichtet.

»Die Mitglieder wollen Einigung und Versöhnung«, hatte Hans Jürgen Gärtner, Ex-Parteivize, der nicht mehr kandidierte, betont. Es sind keine inhaltlichen Flügelkämpfe, die die Partei in die verkorkste Situation gebracht haben. »Wir sind einig in den Inhalten, aber gespalten in Personalfragen«, hatte Gärtner konstatiert und ergänzt, »ich rede deshalb von Lagern, weil die ziemlich fest gefügt sind«. Der parlamentarische Geschäftsführer, Heinz Bierbaum, betonte, »dass eine politisch sachbezogene und eine mit Respekt auf die Person bezogene Auseinandersetzung bisher viel zu wenig stattfindet«.

Dass Schramm in ihrer Rede allenfalls die bekannten linken Positionen streifte, landespolitische Aspekte außen vor ließ und sich stattdessen bemühte, der Partei wieder so etwas wie ein »Wir-Gefühl« zu vermitteln, war in dieser Situation auch aus Sicht von Lutze nachvollziehbar: »Wir haben heute jetzt unsere Hausaufgaben gemacht. Jetzt besteht wieder die Möglichkeit, dass wir uns um Politik und die Inhalte kümmern; für die wir gewählt worden sind«.

Eher zurückhaltend-abwartend fielen die Reaktionen von Schramms Landtagskollegen auf dem Parteitag aus. »Wir sind wenigstens mal zusammen gerückt und versuchen, Gräben zu überwinden. Da muss man mal abwarten, ich hoffe dass uns das gelingt«, sagt Barbara Spaniol, zugleich Kreisvorsitzende in Homburg.

Bierbaum, der eine Zeitlang eine Kandidatur erwogen hatte, kommentierte: »Dass alle sich hinstellen und zur Weiterentwicklung der Partei aufrufen, ist sicherlich notwendig. Der entscheidende Punkt ist, welche Taten jetzt folgen«. Seine Zustands-analyse bleibt skeptisch: »Wir haben das Problem, dass Probleme nicht erkannt oder nicht gesehen werden wollen«. Trotzdem sei der Parteitag ein »Ausgangspunkt, aus dem man etwas machen kann«.

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