Sturm auf Bangkoker Ministerien

Dauerprotest gegen Thailands Regierungschefin Yingluck Shinawatra eskaliert

  • Mathias Peer, Bangkok
  • Lesedauer: 3 Min.
Massenproteste legten am Montag große Teile von Bangkok lahm, Demonstranten halten das Finanz- und das Außenministerium besetzt. Ihr Ziel ist der Sturz von Premierministerin Yingluck Shinawatra.

Die politische Krise in Thailand spitzt sich zu. Hunderte Regierungsgegner haben am Montag in der Hauptstadt Bangkok das Finanzministerium und das Außenministerium gestürmt. Sie halten seither große Teile der Gebäudekomplexe besetzt. Währenddessen demonstrierten Zehntausende auf den Straßen gegen die Regierung von Premierministerin Yingluck Shinawatra. Trotz der Eskalation des Konflikts schloss die Regierungschefin am Montag einen Rücktritt aus.

Die Proteste gegen Yinglucks Regierung markieren die schwerste politische Auseinandersetzung des krisengebeutelten Landes seit dem Jahr 2010, als Demonstrationen von Anhängern der heutigen Regierungspartei gewaltsam niedergeschlagen wurden. Mehr als 90 Menschen wurden dabei getötet. Beobachter fürchten auch dieses Mal eine Eskalation. Der Anführer der Protestbewegung, Suthep Thaugsuban, will die Aktionen ausdehnen: »Morgen werden wir alle Ministerien einnehmen«, rief er seinen Anhängern zu.

Am Montagmittag war Suthep Thaugsuban mit einer Schar von Demonstranten in das Finanzministerium eingedrungen. Seine Anhänger schwenkten die thailändische Nationalflagge und lärmten mit ihren Trillerpfeifen. »Von jetzt an kann die Regierung kein Geld mehr ausgeben«, sagte er. Wenige Stunden später besetzten mehrere hundert Regierungsgegner auch das Amt für Öffentlichkeitsarbeit der Regierung, das unter anderem für die Akkreditierung ausländischer Journalisten zuständig ist. Am Abend stießen die Demonstranten in das thailändische Außenministerium vor. »Mehrere Hundert Menschen haben das Tor eingerissen und sind in den Komplex vorgedrungen«, sagte ein Ministeriumssprecher.

Premierministerin Yingluck Shinawatra ließ in einer ersten Erklärung durchblicken, dass sie die Belagerung der Behörden vorerst nicht gewaltsam beenden wolle: »Die Beamten haben keine Waffen und wir wollen keine Gewalt sehen«, sagte sie vor Journalisten. Sie fügte allerdings hinzu: »Wenn die Proteste so weitergehen, habe ich die Sorge, dass die Situation eskalieren wird.«

Die Protestbewegung der Regierungsgegner ist innerhalb der vergangenen Wochen stark gewachsen. Anlass war der Versuch der Regierungspartei, ein umstrittenes Amnestiegesetz in Kraft treten zu lassen. Das Gesetz hätte laut den Regierungskritikern die Rückkehr des polarisierenden ehemaligen Premierministers Thaksin Shinawatra ermöglicht, der im Exil lebt. Er ist der ältere Bruder von Yingluck und hat bis 2006 die thailändische Regierung geführt, bis er durch einen Militärputsch entmachtet wurde. Später verurteilte ihn ein Gericht wegen Korruption während seiner Amtszeit zu einer Gefängnisstrafe. Um der Verhaftung zu entgehen, flüchtete Thaksin ins Ausland, wo er seither lebt. Kritiker behaupten, er sei im Hintergrund nach wie vor der Strippenzieher der amtierenden Regierung.

Auch Jahre nach seinem Sturz entzweit Thaksin Shinawatra nach wie vor die Gemüter: Während er bei der armen Landbevölkerung im Norden des Landes weiter sehr beliebt ist, verachten ihn die Elite und die Mittelklasse in der Hauptstadt Bangkok. Die Amnestie für ihn scheint zwar mittlerweile vom Tisch zu sein. Protestanführer Suthep Thaugsuban will sich damit aber nicht zufrieden geben: »Wir müssen das Thaksin-System komplett eliminieren«, sagte er vor seinen Anhängern bei einer Großkundgebung am Sonntag, zu der über 100 000 Demonstranten kamen. Eine Gegenveranstaltung der regierungsnahen »Rothemden« brachte es gleichzeitig auf rund 40 000 Teilnehmer.

Noch gab es keine direkte Begegnung der beiden gegnerischen Fraktionen. Bis auf einzelne Zwischenfälle blieben die Demonstrationen bis Redaktionsschluss dieser Seite friedlich.

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