»Matschie muss sich öffnen«

Die Thüringer Linksparteivorsitzende Susanne Hennig will nicht nur einen Regierungswechsel

  • Lesedauer: 5 Min.
Susanne Hennig ist seit dem 16. November die neue Landesvorsitzende der Linkspartei in Thüringen. Die 35 Jahre alte Landtagsabgeordnete löste Knut Korschewsky ab, der nach acht Jahren an der Parteispitze nicht noch einmal antrat. Über ihre Pläne als Landesvorsitzende, den Zustand Thüringens und ihrer Partei sprach mit der 35-Jährigen Hans-Gerd Öfinger.

nd: Frau Hennig, wie bewerten Sie den Rücktritt des Thüringer Wirtschaftsministers Matthias (SPD) Machnig?
Susanne Hennig: Die Landesregierung erodiert. Machnig geht offiziell für einen Halbjahresjob als Europawahlkampfleiter nach Berlin. Diese Landesregierung ist am Ende und blockiert die notwendigen Landesentwicklungen derart, dass sie Thüringen wirklich schadet. Da sich die SPD weigert, ihre Treue bis ins politische Grab mit der CDU aufzugeben, braucht es für einen politischen Wechsel Neuwahlen.

Nun sind Neuwahlen derzeit eher unwahrscheinlich, so dass es beim regulären Wahltag im September 2014 bleiben dürfte. Stehen die Chancen, die Thüringer CDU nach 23 Regierungsjahren in die Opposition zu schicken, 2014 besser als 2009?
Mit dem Leipziger SPD-Parteitag und den Äußerungen des SPD-Landesvorsitzenden Christoph Matschie gibt es zumindest verbal eine andere Ausgangslage als 2009. Ich weiß aber auch, dass der Weg in eine rot-rot-(grüne) Konstellation für die SPD weiter ist als für uns. Matschie muss sich öffnen, um überhaupt noch einmal eine Chance zu haben, als SPD-Spitzenkandidat aufgestellt zu werden. Da die LINKE nicht nur einen Regierungswechsel, sondern einen wirklichen Politikwechsel anstrebt, muss sich die SPD auch inhaltlich auf uns zu bewegen. Gleichwohl gab es schon 2009 große Schnittmengen in beiden Wahlprogrammen.

Laut Bundesregierung hat der Osten bei der Industrialisierung stark aufgeholt. Trifft das auch für Thüringen zu?
Für Thüringen kann ich diese frohe Meldung so nicht bestätigen. Natürlich gibt es Menschen, die profitieren. Für einen Großteil gilt das allerdings nicht. Thüringen bleibt Niedriglohnland, es herrscht Chaos an Schulen und Hochschulen, die Regionen mit der niedrigsten Arbeitslosigkeit liegen in Grenznähe zu den alten Bundesländern, gerade Frauen werden sehr oft in Teilzeitjobs gedrängt, in größeren Städten explodieren die Mieten, die Wahlbeteiligung ist geringer als in den alten Bundesländern und der ländliche Raum hat weiter mit starker Abwanderung zu kämpfen. Thüringen hat Chancen sich zu entwickeln, allerdings nicht mit dieser CDU-SPD-Regierung. Da nützt der Versuch eines Befreiungsschlags der Thüringer SPD durch den Rücktritt Machnigs und seiner Rückkehr nach Berlin wenig.

Sie sind seit Mitte November Landesvorsitzende der Thüringer LINKEN. Was haben Sie sich vorgenommen?
Ich möchte, dass die LINKE Thüringen im Superwahljahr 2014 wieder erfolgreich abschneidet. Im Land wollen wir einen politischen und nicht nur einen Regierungswechsel. Deshalb habe ich dafür geworben, dass sich die Partei basisdemokratisch zu Kernprojekten einer zukünftigen Regierungsbeteiligung auf Grundlage des Wahlprogramms verständigt. Diese gelten natürlich auch im Falle einer fortgeführten Opposition. Wir entscheiden im März. Innerparteilich suche ich den Dialog, um Kommunikations- und Organisationsprozesse neu und transparenter zu gestalten und ein Netzwerk zwischen hauptamtlichen kommunalen Amtsträgern und Partei aufzubauen. Ich möchte 2014 eine Mitgliedergewinnungsoffensive starten.

Bei Ihrer Vorstellung hoben sie Transparenz und bessere Kommunikation mit der Basis hervor. Gab es da Defizite?
Es gab und gibt hier Defizite. Zunächst werde ich mich mit allen Kreisvorsitzenden und Mitarbeitern an einen Tisch setzen, um ihre Vorschläge aufzunehmen. In den vergangenen zwei Jahren haben wir die Mitgliederzeitschrift, eine Telefonaktion, Basiskonferenzen und Foren initiiert. Die Telefonaktion zeigt, dass sich viele Mitglieder gut informiert fühlen, es aber faktisch nicht sind. Mir schweben Telefonaktionen, digitale Medien, Beratungen, Regionalkonferenzen und Gespräche in den Kreisverbänden vor.

Ihr Vorgänger Knut Korschwesky betrachtet den Landesverband Thüringen als Bindeglied zwischen Ost und West und legt Wert auf eine strömungsfreie Diskussion mit dem Ziel einer sozialistischen Gesellschaft. Sie auch?
Es ist eine gesamtparteiliche Notwendigkeit, dass sich die Landesverbände gegenseitig solidarisch unterstützen. Die Diskussion um die beste Entscheidung müssen wir stets am programmatischen Ziel einer demokratisch-sozialistischen Gesellschaft spiegeln. Strömungen gehören zur Partei, der Großteil unserer Mitglieder ist aber nicht in Strömungen gebunden. Deshalb gibt es keine strömungsfreien Debatten, aber es sollte auch keine strömungsdominierten geben. Ich will die Ausgewogenheit wahren.

Einer Ihrer unterlegenen Gegenkandidaten vermisst in der neuen Landesspitze eine ausreichende Vertretung des ländlichen Raums und sieht die Partei nach links gerückt. Wie gehen Sie damit um?
Gelassen. Ich finde es nicht ungewöhnlich, als Landesvorsitzende der LINKEN eine Linke zu sein und fasse das eher als Kompliment für mich und meine Stellvertreter auf. Wir haben Erfahrungen in außerparlamentarischen sozialen Bewegungen ebenso wie in Kommunal- und Landesparlamenten. Wir wollen mit Regionalbeauftragten des Vorstandes die Parteistrukturen in alle Regionen unterstützen. Vermutlich bringt dies mehr Anbindung als nur auf die örtliche Angebundenheit einzelner Vorstandsmitglieder zu vertrauen.

Zum Schluss noch eine persönliche Wie wollen Sie als werdende Mutter Familie, Beruf und drei Wahlkämpfe unter einen Hut bringen?
Wir sind uns einig, dass Sie einem werdenden Vater diese Frage vermutlich nicht gestellt hätten. Die Vorbereitungen für die Wahlen müssen bis Jahresende abgeschlossen sein. Ich habe mit Vorstand und Mitarbeitern ein tolles Team um mich und bin ja nicht aus der Welt. Mein Mann übernimmt die einjährige Erziehungszeit. Ich bin guter Dinge, alles unter einen Hut zu bringen. Zumal die Partei die Chance hat, andere Sitzungsrhythmen und Teamarbeit an der Landesspitze kennenzulernen.

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