Kein Selbstläufer

Senat stellt Wohnbauprojekte auf dem Tempelhofer Feld vor / BI will Alternativflächen

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.
In einem Infopavillon präsentiert die Senatsverwaltung die nach wie vor umstrittenen Neubaupläne für das ehemalige Flugfeld.

»Das sieht ja alles ganz schön aus auf den Bildern. Was da tatsächlich gebaut wird, weiß man aber nicht«, sagt Sabine, nachdem sie sich im frisch eröffneten Infopavillon über die vom Senat geplante Bebauung auf dem Tempelhofer Feld informiert hatte. Die Tempelhoferin ist »eher gegen eine Bebauung« und hat auch schon für das Volksbegehren unterschrieben. Auch die weiteren Besucher zu dieser Zeit können sich nicht so recht mit den Senatsplänen anfreunden. »Gemacht wird am Ende sowieso, was die Wirtschaft will«, sagt selbst der Wachmann.

Skeptisch bis offensiv dagegen war auch das Stimmungsbild auf der »Standortkonferenz Wohnen am Rand des Tempelhofer Feldes«, zu der die Stadtentwicklungsverwaltung am Donnerstagabend geladen hatte. Staatssekretär Ephraim Gothe sprach vor über 200 Besuchern zunächst vom großen Ganzen, also dem vor allem im Zentrum fehlenden Wohnraum, dem Tempelhofer Feld als der letzten großen öffentlichen Reservefläche in der Innenstadt, aber auch von den Kosten für Neubauten, die Mietpreise nicht unter neun bis zehn Euro nettokalt ergäben.

»Das sind Preise, die breite Bevölkerungsschichten in Berlin nicht zahlen können«, sagte Ingo Malter. Er ist Geschäftsführer der städtischen Wohnbaugesellschaft Stadt und Land, die zusammen mit der ebenfalls städtischen Degewo und der Genossenschaft Ideal die an den S-Bahnhof Tempelhof angrenzende südwestliche Randfläche bebauen möchte. 1500 bis 1700 Wohnungen sollen nach deren Plänen in Nachbarschaft des ebenfalls dort vorgesehenen Neubaus der Zentral- und Landesbibliothek entstehen. Durch Quersubvention und die noch zu beschließende neue Wohnbauförderung soll die Hälfte der Wohnungen zu Kaltmieten zwischen sechs und acht Euro angeboten werden können.

»Baukulturell anspruchsvoll« solle das Gebiet werden. »Quartiere wie aus den 60er und 70er Jahren mit homogenem Publikum mit den daraus folgenden sozialen Verwerfungen müssen wir unbedingt vermeiden«, sagte Malter. Der Masterplan sieht noch einen recht hohen Gewerbeanteil vor, die Interessengemeinschaft möchte allerdings wesentlich mehr Wohnungen errichten. »Ich glaube, dass sich die Pläne in nächster Zeit sehr Richtung Wohnen entwickeln«, zeigte sich Michael Abraham von der Genossenschaft Ideal zuversichtlich.

»Das Projekt ist kein Selbstläufer, da muss man sehr gut planen, um mit dem Lärm fertig zu werden«, sagte Ephraim Gothe. Südring, Stadtautobahn und Tempelhofer Damm sind erhebliche Lärmquellen. Auch die hohe Besucherfrequenz der künftigen Bibliothek und Wohnen im Erdgeschoss passten nicht zusammen.

Michael Schneidewind von der Bürgerinitiative »100 Prozent Tempelhofer Feld« ist davon überzeugt, dass in Berlin jährlich sechs- bis zehntausend Wohnungen gebaut werden müssen. Wegen seiner besonderen stadtklimatischen Bedeutung jedoch gerade nicht auf dem ehemaligen Flughafengelände. Generell sollten bei so einem bedeutenden Projekt die Bürger entscheiden. »Die Gesamtbebauung wird den Steuerzahler 500 Millionen Euro kosten«, sagte Schneidewind, da die Fläche komplett mit Straßen und Leitungen neu erschlossen werden müssten. Stadtweit gebe es 1000 Hektar Reserveflächen, die wesentlich günstiger bebaut werden könnten. »Denken Sie zwei Wirtschaftskrisen weiter, wenn Berlin vielleicht vor der Wahl steht, wieder Tafelsilber zu verkaufen oder eben weitere Teile des Parks als Bauland zu verkaufen«, wagte Schneidewind einen pessimistischen Blick in die Zukunft. »Das ist keine öffentlich diskutierte Planung, aber sie verkaufen schon Grundstücke«, beklagte Franziska Eichstädt-Bohlig (Grüne).

Am kommenden Freitag um 19 Uhr findet eine gemeinsame Informationsveranstaltung von LINKEN, Grünen und Piraten zum Bürgerbegehren statt. Café Engels, Herrfurthstr. 21, Neukölln.

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