Schlechte Nachrichten für Europa

Alexander Ulrich sieht im Koalitionsvertrag der Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD keine Wege für 
einen in der Krise notwendigen Politikwechsel innerhalb der Europäischen Union

  • Lesedauer: 3 Min.

Nachdem die SPD in der vergangenen Wahlperiode jede europapolitische Schandtat der schwarz-gelben Bundesregierung – vom Fiskalpakt bis zu den Kürzungsdiktaten im Süden Europas – mitgetragen hatte, entwickelte sie sich im Wahlkampf zum scharfen Kritiker ebendieser Politik.

Eine Sozialunion sollte es laut Wahlprogramm geben, in der der »soziale Fortschritt« zum Gesetz wird. Ebenso wollte man existenzsichernde Mindestlöhne in der gesamten Europäischen Union und eine gemeinschaftliche Haftung für die Staatsschulden. Auch die Macht der Finanzmärkte wollte man brechen, beispielsweise durch ein Trennbankensystem, eine Regulierung von Hedgefonds und eine Bekämpfung des Schattenbankensystems. Und überhaupt sollte der Finanzsektor statt der Bevölkerung für die Kosten der Krise aufkommen. Schließlich sei die Krise von den Spekulanten erst verursacht worden.

Mit der Unterschrift ihres Vorsitzenden unter den Koalitionsvertrag mit der CDU/CSU ist die SPD wieder zu ihrer alten Linie zurückgekehrt. Der europapolitische Teil dieses Vertrages lässt sich so zusammenfassen: An der bisherigen deutschen Europapolitik wird sich rein gar nichts ändern – außer vielleicht, dass sie noch entschlossener und kompromissloser durchgesetzt wird, weil die Regierung künftig 80 Prozent der Abgeordneten in ihren eigenen Reihen weiß.

Die Koalitionäre haben sich auf eine Fortsetzung der Doppelstrategie aus Haushaltskonsolidierung einerseits und einer Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit andererseits geeinigt. In anderen Worten: auf eine Fortsetzung der Politik des permanenten Sozialabbaus, der Zerstörung öffentlicher Beschäftigung, der Privatisierung öffentlichen Eigentums und der Rücknahme von Arbeitnehmerrechten. Kredite aus ESM-Mitteln für besonders hart von der Krise betroffene Länder soll es auch weiterhin nur »im Gegenzug zu strikten Auflagen bzw. Reformen und Konsolidierungsmaßnahmen« geben. Eine gemeinschaftliche Haftung für Staatsschulden wird nun entschieden abgelehnt. Denn das würde die »notwendige Ausrichtung der nationalen Politiken« gefährden. Notwendig ist gleichbedeutend mit neoliberal. Zudem wird Merkels Projekt eines Wettbewerbspaktes, der die beteiligten Länder zu permanenten, neoliberalen Reformen nötigt, nun gemeinsam forciert. Bis zur Wahl wurde dieses Projekt aus den Reihen der SPD noch scharf kritisiert.

Die alte SPD-Forderung nach umfassenden öffentlichen Investitionen zur Schaffung von Wachstum und Beschäftigung steht hingegen nicht auf der Agenda. Ebenso wenig ein Abbau der deutschen Außenhandelsüberschüsse, die die europäische Wirtschaft erheblich belasten. Auch eine strenge Finanzregulierung und Beteiligung der Banken an den Kosten der Wirtschafts- und sozialen Krise wird nicht angestrebt. Und armutsfeste Mindestlöhne wird es nicht einmal in Deutschland geben – zumindest nicht in den nächsten vier Jahren.

Um eine neoliberale deutsche Regierung zu bekommen, die den Rest der Eurozone zum eisernen Sparen verdonnert und immer weiter in die Krise treibt, hätten wir die FDP nicht abwählen müssen. Dieser Koalitionsvertrag enthält nicht im Ansatz eine »sozialdemokratische Handschrift«. Wer in Südeuropa auf einen Kurswechsel in Deutschland – dem Herzen des EU-Krisenregimes – hoffte, wurde herbe enttäuscht. Es sei denn natürlich, die SPD-Basis nutzt den Mitgliederentscheid, um dieses unsägliche Regierungsprojekt doch noch in der Mülltonne zu versenken. Für Sozialdemokraten sollte dieser Koalitionsvertrag nicht zustimmungsfähig sein.

Als LINKE müssen wir jetzt erst recht eine harte Opposition gegen die vorherrschende Europapolitik sein. Wir sind die Alternative, die konsequent gegen Sozialabbau und Bankenrettungen steht. Wir fordern einen Rettungsschirm für die Menschen, eine Überwindung der Krise durch Vermögensabgabe und Steuergerechtigkeit. Wir wollen eine strenge Regulierung und Besteuerung der Finanzmärkte. Für die Krise sollen jene zahlen, die sie verursacht haben. Die Verarmungs- und Rezessionspolitik der vergangenen und neuen Regierung lehnen wir strikt ab. Das müssen wir gerade in Hinblick auf die Wahl des neuen Europäischen Parlaments im Mai 2014 ganz deutlich machen.

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