Folge 24: AUFSTAND (der)

Lexikon der Bewegungssprache

  • Lesedauer: 2 Min.

Kaum ein Begriff hat sich in den letzten Jahren so nachhaltig in die Matrix linksradikaler Bewegungspolitik und in den Kanon philosophischer Theorie eingeschrieben wie »Der Aufstand«. In den frühen 70er Jahren sprachen italienische Marxisten als Vorläufer der Autonomen noch vom »Insurrektionalismus«, um die Klassenniederlage durch den fordistischen Kompromiss zu überwinden. Die antiimperialistisch geprägten Linken der 80er redeten ständig von der »Sozialen Revolution« und in den 90ern räsonierten linksradikale Aktivisten über den »Revolutionären Antifaschismus«. Bis die durch die Anti-Globalisierungskämpfe in Genua, die Banlieue-Krawalle 2005 und die Großdemonstrationen in Paris 2006 massenmilitant geprägte und anarchokommunistisch inspirierte Protestgeneration »Den Aufstand« als das zeitgemäße miltanzfetischistische Konzept anmeldete.

Das geschah im neoliberalen Regime der radikal durchökonomisierten Selbstverwertung natürlich in Form eines internationalen Bestsellers, der landauf landab die Feuilletons heiß machte. Wobei der Aufstand streng genommen weniger ein Konzept ist als vielmehr eine Art Drehbuch für dezentrale, selbstorganisierte militante Proteste, die sich im Stil einer »self fulfilling prophecy« ständig fortsetzen. Der Aufstand beschreibt den eruptiven Prozess sozialer Implosion wie er im Spätkapitalismus offenbar alle Jahre mal wieder auftritt: 2005 in den Pariser Vororten, 2008 in Griechenland und 2011 in London. Hält der Dreijahres-Rhythmus an, so erleben wir 2014 den nächsten großen Aufstand, der in den zeitlichen und geografischen Dimensionen noch mal die auf ein oder zwei Tage und ein Stadtviertel beschränkten Krawalle wie jüngst in Rio, Istanbul oder Rom deutlich übertreffen dürfte. schmi

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