»Hass zerstört, was ihr liebt«

Dynamo Dresden appelliert an seine Fans, die Namen von Randalierern zu nennen

In Dresden hat die Aufarbeitung des Gewaltausbruchs von Bielefeld begonnen. Nicht nur der Cheftrainer findet deutliche Worte.

Seit Olaf Janßen Cheftrainer von Dynamo Dresden ist, geht es mit dem Verein bergauf: 20 Punkte holte der Traditionsverein in den vergangenen drei Monaten: »Die Stimmung der 98 Prozent friedlicher Fans« habe daran ihren Anteil, sagt Janßen am Montag auf einer außerplanmäßigen Pressekonferenz. In der ging es allerdings nicht um Fußball - am Wochenende zuvor waren es schließlich die restlichen zwei Prozent der Fans, die Dynamo mal wieder in die Schlagzeilen gebracht hatten. Der ehemalige Profi hielt deshalb eine sehr eindringliche zehnminütige Rede, die in einer Warnung gipfelte: »Hass und Gewalt wird am Ende das zerstören, was ihr liebt: euren Verein!«

Dass die Exzesse von Bielefeld ausgerechnet nach der Einigung mit Deutschem Fußball-Bund (DFB) und Fußball-Liga (DFL) passierten, findet nicht nur Janßen fatal. Im November hatten sich alle Parteien darauf geeinigt, dass Dynamo wegen des Ausschlusses aus dem DFB-Pokal nicht den Rechtsweg beschreitet. Im Gegenzug wurden mehrere Verfahren gegen die Dresdner gegen Zahlung von 30 000 Euro eingestellt. Nun droht Dynamo und seinen Fans neuer Ärger. Nicht auszuschließen, dass die Behörden bereits vor dem Auswärtsspiel am kommenden Freitag in Köln erste Maßnahmen beschließen.

Der Verein steht seit Jahren unter verschärfter Beobachtung der Verbände, weil es bei Auswärtsspielen immer wieder zu gewalttätigen Vorfällen kam. Doch die Ereignisse von Bielefeld stellten eine neue Qualität der Enthemmung dar. Auf dem Weg zum Stadion kam es immer wieder zu Ausschreitungen, ein Supermarkt und zwei Cateringhäuschen im Stadion wurde überfallen und ausgeraubt. 1000 Sicherheitsleute und bis zu 900 Polizisten waren letztlich nicht in der Lage, die Brutalität einzudämmen. »Die waren wie im Rausch«, berichtet ein Dresdner Augenzeuge. »Weil Dynamo noch nie in Bielefeld gespielt hat, wurde überproportional viel Gesocks angezogen.«

Lediglich 22 Anzeigen gibt es bislang. Wie so oft bei solchen Vorfällen sind die meisten Täter nicht zu ermitteln. Zum einen, weil die kollektive Camouflage die Identifizierung unmöglich machte - die Insassen des Sonderzuges reisten alle mit gelben Regenponchos an, viele vermummten sich. Zum anderen, weil diejenigen, die wohl zumindest Teile der Täter identifizieren könnten, gegenüber Polizei und Verein schweigen: In der Ultraszene gilt es als Verrat, die Kollegen zu »verpetzen«.

Trainer Olaf Janßen (»Dieser Freitag war eine Schande für unseren Verein«) traf also den wunden Punkt, als er am Montag an die 98 Prozent der friedlichen Fans appellierte, sich von den Gewalttätern zu distanzieren. »Schiebt die Kriminellen und Vermummten in die erste Reihe, damit Gesetz und Justiz sie entsprechend verurteilen können«, sagte er. Das dürfte zumindest kurzfristig ein frommer Wunsch bleiben. Es ist nicht damit zu rechnen, dass die Ultras eine der ehernen Regeln ihrer Subkultur aufgeben.

Allerdings scheint Nachdenklichkeit eingekehrt zu sein, berichtet Torsten Rudolph, Leiter des Fanprojekts in Dresden. Auch er ist »schockiert über die Ereignisse von Bielefeld« und ärgert sich darüber, dass die »eigentlich positive Entwicklung der vergangenen Monate konterkariert wurde«.

Die antirassistischen Fangruppe »1953 international« hatte vor ein paar Tagen noch den »Sächsischen Integrationspreis« erhalten. Und auch in der Gewaltfrage schien eine vorsichtige Entwarnung angebracht: In dieser Spielzeit kam es noch zu keinerlei Vorkommnissen - bis Bielefeld. Rudolph hofft jetzt, dass »dieser Rückschritt mittelfristig ein Schritt nach vorne ist, weil nun klar geworden ist, dass da aber wirklich jede Grenze überschritten wurde.«

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