Pragmatiker mit Prinzipien

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar steht am Ende seiner zehnjährigen Amtszeit

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 4 Min.
Peter Schaar hat den Kampf um den Datenschutz oft halbherzig geführt. Auch Unions-Politiker schätzen ihn für seinen Pragmatismus.

Es ist wohl einer seiner letzten großen Auftritte auf der bundespolitischen Bühne. Peter Schaar steht im Saal des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses des Bundestags an einem grün beleuchteten Podium. Sachlich und mit sonorer Stimme konstatiert er die zunehmenden Verstöße gegen den Datenschutz. Kurz vor dem Ende seiner Amtszeit als Bundesdatenschutzbeauftragter soll es ein Abend zu seinen Ehren werden. Veranstalterin ist die Bundestagsfraktion der Grünen, die Schaar einst für das Amt vorgeschlagen hatte.

»Der US-Geheimdienst NSA reist mit, wenn Nutzer Daten in die Cloud setzen oder Unternehmen personenbezogene Informationen sammeln«, erklärt Schaar. »Es werden nicht etwa nur Terroristen oder Kriminelle ausgeforscht, sondern auch ganz normale Bürger.« Er schaut ins Publikum. Kaum ein Platz auf der Tribüne ist frei geblieben. Die Leute klatschen. Dann setzt Schaar noch einen drauf. Sarkastisch bedankt er sich bei der NSA, weil nach der Aufdeckung des Spionageskandals immerhin eine UN-Resolution zum Datenschutz salonfähig geworden sei.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte spielt an diesem Abend die Rolle des vorsichtigen Mahners - genau wie in seiner gesamten zehnjährigen Amtszeit. Mehr war nicht möglich. Sicherheitsbehörden und Internetfirmen spähen Menschen zunehmend aus. Auch Schaar, Kontrolleur und Berater von Bundesbehörden, ist dagegen machtlos geblieben. Das liegt auch daran, dass die Datenschutzaufsicht zahnlos ist. Das müsse sich laut Schaar ändern. Zudem fordert er, dass das Amt des Datenschutzbeauftragten unabhängiger werden soll. Seine Dienststelle ist beim Innenministerium eingerichtet.

Schaar, der Mitglied bei den Grünen ist, sieht sich selber als »überparteilich«. Bei Streitigkeiten wollte er stets vermitteln. So etwa beim Konflikt innerhalb der schwarz-gelben Regierung über die Vorratsdatenspeicherung, nachdem das Bundesverfassungsgericht im März 2010 die Vorschriften zur Speicherung personenbezogener Daten für verfassungswidrig erklärt hatte. Schaar nannte daraufhin ein Konzept namens »Quick freeze plus« als seinen Favoriten. Verbindungsdaten sollten »einige wenige Tage« gespeichert werden, »damit die Strafverfolger überhaupt eine Chance haben«. Mit diesen Äußerungen zog sich der heute 59-Jährige den Zorn von Bürgerrechtlern sowie liberalen Politikern zu. Auch bei seinem Abschiedsabend finden die Grünen nicht nur lobende Worte für Schaar. Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt kritisiert, der Datenschützer habe »viel zu vermittelnde Vorschläge zur Vorratsdatenspeicherung« gemacht.

Als Schaar 2003 von Rot-Grün als Bundesdatenschutzbeauftragter nominiert wurde, lehnten ihn zahlreiche Politiker der Union noch ab. Später erkannten sie, dass der Volkswirt ein Pragmatiker ist, der auch auf Forderungen der Sicherheitsbehörden eingeht. Immerhin hatte Schaar Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) zwei Jahre lang ertragen, der mit seinen »gegen den Terrorismus« gerichteten Gesetzen den Überwachungsstaat weiter ausbaute.

Auf ihn folgte Wolfgang Schäuble. Zum Ende von Schaars erster Amtsperiode 2008 schlug der CDU-Mann überraschend die Wiederwahl des Datenschutzbeauftragten vor. Schaar erhielt im Bundestag beachtliche 484 Stimmen der 554 anwesenden Abgeordneten. Die von Schäuble betriebene Aushöhlung des Rechtsstaates wurde von Schaar oft mit vorsichtigen Statements begleitet. Dabei bemühte er sich allerdings immer, seinen Prinzipien treu zu bleiben. »Ich bin nicht überzeugt, dass diese Fülle neuer Befugnisse für die Bekämpfung des internationalen Terrorismus erforderlich ist«, kommentierte Schaar etwa 2008 die geplante BKA-Novelle, mit der das Bundeskriminalamt präventive Befugnisse erhielt.

Am 17. Dezember scheidet Schaar aus dem Amt aus. Am selben Tag ist die Wiederwahl von Kanzlerin Angela Merkel geplant. Die Zeiten für Datenschützer werden dann noch schwerer. Denn die Große Koalition will die Vorratsdatenspeicherung einführen. Zudem ist fraglich, wann ein Nachfolger für Schaar berufen wird. Die Behörde könne zunächst ohne Spitze auskommen, hatte Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) erklärt. Er hatte es abgelehnt, dass Schaar über das Ende seiner Amtszeit hinaus vorläufig seine Tätigkeit weiterführt. Schaar und die Grünen fürchten nun eine Übergangszeit ohne effektive Kontrolle. Nach deren Ende dürfte ein Kandidat von Schwarz-Rot das Amt übernehmen. Der neue Datenschutzbeauftragte müsste sich - wenn es nach Friedrich ginge - wohl noch mehr mit Kritik zurückhalten, als es sein Vorgänger ohnehin schon getan hat.

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