»Haushalt der verpassten Möglichkeiten«

Investieren oder Schulden abbauen: Die Opposition zerpflückte am Donnerstag den Etatentwurf der rot-schwarzen Koalition

  • Bernd Kammer
  • Lesedauer: 3 Min.
Im Abgeordnetenhaus wurde gestern über den Berliner Doppelhaushalt der nächsten beiden Jahre gestritten.

Der Regierende Bürgermeister hatte sich viel vorgenommen für diese Mammutsitzung des Abgeordnetenhauses, in der kurz vor Mitternacht der Berliner Landeshaushalt für die kommenden zwei Jahre verabschiedet werden sollte. Extra 20 Blatt Papier habe er mitgebracht, um die Fragen der Opposition zu beantworten, sagte Klaus Wowereit (SPD) und hielt dann einen dünn beschriebenen Zettel in die Höhe. Das sei dabei herausgekommen, triumphierte er, wobei nicht ganz klar war, ob er die Fragen der Opposition oder seine Antworten meinte.

Grüne, LINKE und Piraten waren auch nicht unbedingt angetreten, um Wowereit zu befragen, sondern um seinen Haushalt zu zerpflücken. Der sieht in beiden Jahren bereinigte Ausgaben von jeweils rund 23 Milliarden Euro vor. Trotz künftig geringerer Einnahmen aus dem Länderfinanzausgleich will Berlin schon 2014 keine neuen Schulden mehr aufnehmen. Höhere Steuereinnahmen und Bundeszahlungen für die Grundsicherung und sehr viel geringere Zinsausgaben machen dies möglich. Dank der erwarteten Überschüsse will das mit rund 63 Milliarden Euro verschuldete Land sogar Schulden abbauen: 90 Millionen im kommenden Jahr und 226 Millionen Euro 2015.

Angesichts der guten Haushaltslage warf die Opposition Rot-Schwarz vor, sich mit Überschüssen und Schuldenabbau zu brüsten und dafür Schulen, Kitas und Straßen verkommen zu lassen, anstatt in Bildung, Kultur, Daseinsvorsorge und die bessere Ausstattung der Bezirke zu investieren. »Dies ist ein Haushalt der verpassten Möglichkeiten«, so die Grünen-Fraktionschefin Ramona Pop. 1,3 Milliarden Euro für Investitionen seien »sensationell niedrig«, noch nie habe es eine so niedrige Investitionsquote gegeben. Für den vielgerühmten Rückkauf der Wasserbetriebe müsse sich das Unternehmen mit 1,4 Milliarden Euro verschulden, kritisierte Pop und nannte dies das »Finanzierungsmodell einer Heuschrecke«. Es sei heuchlerisch, nun darüber zu jammern, dass die Wasserbetriebe 400 Beschäftigte abbauen wollen. Den Rückkauf sehen die Grünen ebenso als »Teil einer wachsenden Schattenverschuldung« wie die 700 Millionen Euro Kreditaufnahme durch die Wohnungsbaugesellschaften. »Da deutet sich eine Politik der versteckten Verschuldung an, die unheilvoll an die Große Koalition der 90 er Jahre erinnert, wo die Landesunternehmen zum Millionengrab wurden«, so Pop.

LINKE-Fraktionschef Udo Wolf warf der Koalition deshalb eine Haushaltspolitik der »Trickserei und Täuschung« vor. Nach zehn Jahren harten Sparkurses schaue der Senat jetzt nicht, was die Menschen in dieser Stadt brauchten. »Sie unterwerfen alle Politik nur einem Ziel: Der schwarzen Null und dem Abbau der Altschulden«, kritisierte Wolf. Dabei sei klar, dass Berlin seine Altschulden ohne Hilfe des Bundes nicht abbauen könne. »Statt in die Stadt zu investieren, fahren Sie sie auf Verschleiß.« Wie Pop und Alexander Spieß von den Piraten kreidete er der Koalition an, dass die Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes, »die mit ihrem Einkommensverzicht dafür bezahlt haben, dass die Landesfinanzen wieder in Ordnung kommen«, dafür nicht mit Angleichung der Gehälter an das Bundesniveau belohnt werden.

Ein Haushaltsplan sei kein Wunschkonzert, konterte Wowereit und empörte sich über den Vorwurf der Täuschung (»Sie kann man doch gar nicht täuschen«). Die Koalition stehe zum Schuldenabbau und betreibe eine »generationengerechte Politik«, die die Zukunftsfähigkeit der Stadt sichere. Ziel sei es, das Land wieder auf eigene Füße zu stellen. »Sie dagegen wollen das Geld nur ausgeben für ihre Lieblingsprojekte, das machen wir nicht mit«, hielt er der Opposition vor.

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