nd-aktuell.de / 02.01.2014 / Politik / Seite 2

Griechenland wird Mammutaufgaben nicht lösen können

Wenige Monate vor der Europawahl sind auch unter der neuen EU-Ratspräsidentschaft keine grundlegenden Reformen zu erwarten

Katharina Strobel, Brüssel
Alle sechs Monate wechselt der EU-Ratsvorsitz. Griechenland wird zum 1. Juli an Italien übergeben. Damit endet auch eine Trio-Ratspräsidentschaft.

Der Vorsitz im Rat der Europäischen Union, wie das Amt offiziell in den EU-Verträgen heißt, wird im Allgemeinen für das jeweilige Land an der Spitze des Gremiums als Chance betrachtet, sich den anderen Staaten zu präsentieren und die Aufmerksamkeit, die ihm zuteil wird, für eigene politische Schwerpunkte zu nutzen. Ersteres wird das nun amtierende Griechenland im kommenden halben Jahr schwer fallen. Ganz anders verhielt sich dies bei Litauen, der ersten Ex-Sowjetrepublik, die die Geschäfte der EU-Mitgliedsstaaten führte und in der Zeit Selbstvertrauen erlangte. Litauen reichte nun den Staffelstab an Griechenland weiter. Die politische Agenda zu bestimmen, wird für Athen aber wohl noch schwieriger, steht doch vom 22. bis 25. Mai die Europawahl an.

So fällt die griechische Präsidentschaft in eine für die EU entscheidende Phase. Den Griechen bleiben aufgrund der anstehenden Europawahl und der damit verbundenen Neubesetzung der EU-Kommission im Prinzip nur drei Monate, um politische Akzente zu setzen und die Ziele der sogenannten Trio-Präsidentschaft dreier aufeinanderfolgender Ratsvorsitze zu erfüllen. Mit Griechenland endet die Trio-Ratspräsidentschaft von Irland, Litauen und Griechenland.

Der Regierung im am stärksten von der noch immer virulenten Wirtschafts- und sozialen Krise betroffenen EU-Mitgliedsstaat ist bewusst, welche Mammutaufgaben sie erwarten. Das traditionell pro-europäische Land hat sich durch die Finanzkrise in einen EU-skeptischen Staat gewandelt, in dem Bitterkeit regiert. »Wir müssen es schaffen, den Funken für die EU wieder zu entzünden«, sagt denn auch ein griechischer Diplomat. Positiver sieht dies gar der Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Der »Bild«-Zeitung sagte er: »Die Präsidentschaft wird der griechischen Bevölkerung zeigen, dass Europa seine Zukunft ist. Die Aufgabe schafft Identität, Selbstbewusstsein, Stolz. Die griechische Ratspräsidentschaft ist eine große Chance für das Land und für Europa.«

Das Thema Jugendarbeitslosigkeit - die Quote liegt derzeit bei 60 Prozent - und die Wirtschaft insgesamt liegen den Griechen besonders am Herzen. Anders als Litauen, das sich im zweiten Halbjahr 2013 zum ersten Mal an der Spitze des Rates befand, haben die Griechen, EU-Mitglied seit 1981, nicht mehr das Bedürfnis, ihr Land zu präsentieren. Schon gar nicht in der gegenwärtig desaströsen Lage im eigenen Land. Stattdessen haben sie eine pragmatische Herangehensweise gewählt: keine überflüssigen Reisen, Geschenke und Sitzungen. Nur das, was dazu dient, die Politik voranzubringen, wird angegangen.

In die Zeit der griechischen Präsidentschaft fallen gleich vier EU-Gipfel, wie die Tagungen der Staats- und Regierungschefs oft genannt werden. Auch hier wird der Mittelmeerstaat versuchen, richtungsweisende Akzente bei der Reform der Währungsunion, der Vollendung der Bankenunion oder der Umsetzung der Jugendgarantie zu setzen, obwohl die Treffen seit 2009 nicht mehr von der Ratspräsidentschaft betreut werden, sondern vom Präsidenten des Europäischen Rates, der für fünf Jahre gewählt ist. Bis November 2014 ist dies noch der Belgier Herman Van Rompuy.

Vom Juni-Gipfel erhoffen sich die Griechen Fortschritte in der Migrationspolitik. Das Thema ist bereits für den Termin auf die Agenda gesetzt worden. Für die Aufnahme und Verteilung von Flüchtlingen, die vielfach Griechenlands Inseln als Tor Europas passieren, soll eine gesamteuropäische Lösung erarbeitet werden, die den humanitären Ansprüchen der EU genügt. Dieses Thema soll tiefgründig diskutiert und während der nächsten Trio-Präsidentschaft - passenderweise mit Italien an erster Stelle - gelöst werden.