Der Osten, die Wahlen, das Regieren

In Sachsen, Thüringen und Brandenburg geht es 2014 auch um Mitte-Links-Optionen. Zu Beginn des Jahres ist rot-rot-grüne Ehrlichkeit angebracht

  • Tom Strohschneider
  • Lesedauer: 6 Min.

Drei Landtagswahlen stehen in diesem Jahr in Ostdeutschland an. Drei Mal wird es dabei auch um eine mögliche Regierungsbeteiligung der Linken gehen. Einmal vom parteiinternen Gerangel an diversen roten Haltelinien abgesehen - über einen politischen Kamm lassen sich die Ausgangslagen in den drei Ländern nicht scheren. Und vor übetriebenem rot-rot-grünen Optimismus sei auch gewarnt.

In Brandenburg ringt die Linkspartei aus einer rot-roten Koalition heraus um Zustimmung - und sieht sich einmal mehr damit konfrontiert, dass »linkes Regieren« nicht unbedingt eine Prozentefabrik ist: In Umfragen liegen die Brandenburger Linken fünf bis sieben Prozent hinter ihrem Ergebnis bei der Landtagswahl von 2009, während der Koalitionspartner SPD trotz Platzeck-Rückzug und einiger Ministerwechsel sein Niveau halten konnte.

In Thüringen muss die Linke wohl auch 2014 die Bürde eines guten Ergebnisses tragen - absehbar bleibt, dass die Partei deutlich stärker als die SPD wird, was bei den Sozialdemokraten abermals die Neigung zur Flucht in die Arme der Union wecken könnte. Linksfraktionschef Bodo Ramelow hofft zwar, »dass SPD und Grüne ihren Anhängern klar machen, ob sie für eine reformorientierte Politik stehen oder ob sie nur Mehrheitsbeschaffer der CDU sein wollen«. Die wahrscheinliche Spitzenkandidatin der SPD, Heike Taubert, hält sich allerdings alle Türen offen.

In Sachsen stellt sich die Lage noch einmal anders dar: Hier kann sich die SPD zumindest den Umfragen nach inzwischen durchaus ausrechnen, vor der Linkspartei zu landen. Eine rot-rot-grüne Koalition - einmal von der Frage abgesehen, ob SPD und Grüne diese überhaupt wollen - steht noch vor einem anderen Problem: Die CDU hat sich zu Beginn des Wahljahres auf eine Startposition gerobbt, die ihr eine absolute Mehrheit der Sitze im Landtag als aussichtsreich erscheinen lassen.

Linken-Chefin Katja Kipping hat unlängst erklärt, ihre Partei sei »in Sachsen ist zu Rot-Rot-Grün bereit. Es gibt sogar von unseren Spitzenkandidaten den Vorschlag, dass sich die drei Parteien auf eine gemeinsame überparteiische Spitzenkandidatin einigen«. Auch glaube sie, so Kipping, dass auf Landesebene »eine Annäherung einfacher« ist. Das ist einerseits wohl richtig, andererseits dürfte der Wahlkampf auch von Momenten geprägt sein, die eben diese Annäherung erschweren.

In der Linkspartei sind bereits Stimmen laut geworden, die vor der Anschlussfähigkeit der Grünen in Richtung CDU warnen. »Wer Grün wählt, der weiß nicht, was er bekommt«, hat zum Beispiel Fraktionsvize Dietmar Bartsch erklärt - und die Entwicklung in Hessen sowie Äußerungen der Grünen-Spitze lassen das auch als realistische Möglichkeit erscheinen. Es gibt Erfahrungen aus Landtagswahlkämpfen, in denen die Linke zumindest teilweise eine Anti-Grünen-Rhetorik verfolgte - welche die Gesprächslage nach der Wahl nicht unbedingt einfacher machte.

Hinzu kommt die bereits angesprochene Schwäche des rot-rot-grünen Lagers zumindest in Sachsen. Diese hat Benjamin Hoff, einst Sprecher der Linksreformer in der Linkspartei und langjähriger Berater von Koalitionssondierungen auf Landesebene unlängst als »Ausdruck veritabler strategischer Fehler der drei Parteien« bezeichnet. Und diese Lage hat etwas von einem Teufelskreis: »Die ersichtlich fehlende Bereitschaft der drei Parteien, die CDU gemeinsam ablösen zu wollen, führt zwangsläufig dazu, dass eine Wechselstimmung gar nicht erst entsteht«, schreibt Hoff - und merkt an, dass dann wiederum die schwachen Umfragen für ein Mitte-Links-Bündnis den Kritikern einer Zusammenarbeit in allen drei Parteien als Beweis dafür herhält, »dass ein solches Bündnis über keine realistische Machtoption verfüge«.

Hoff schreibt weiter: »Will Mitte-Links aus der Defensive kommen, müssten die drei Parteien sich gemeinsam darauf verständigen, der präsidialen Langeweile eine Alternative der Partizipation und Innovation entgegenzustellen.« Dies würde auf einen gemeinsamen Wahlauftritt von Mitte-Links hinauslaufen - der zwar, wie Hoff hofft, »den Bürgerinnen und Bürgern eine tatsächliche Entscheidungsmöglichkeit bieten« könnte und damit auch zur Wahlbeteiligung motivieren würde. Der aber andererseits dem naturgemäßen Gebaren von Parteien widerspricht - die bei Wahlen konkurrieren.

Linkenchefin Kipping hat dieser Tage gesagt, das Haupthindernis für Rot-Rot-Grün auf Bundesebene sei nicht die Außen- und Sicherheitspolitik, sondern das Fehlen der »Bereitschaft, gemeinsame politische und gesellschaftliche Projekte zu entwickeln und zu überlegen, wo wir etwas verändern können«. Hierin liegt eine der entscheidenden Herausforderungen: das Entwickeln gemeinsamer Projekte, die Idee einer auf mehr als die bessere Verwaltung des Bestehenden zielenden politischen und gesellschaftlichen Mehrheit, der Wunsch nach einer Erzählung, die dem blassen, traurigen Politikbetrieb auf Landesebene etwas leuchtendes, wirklich in die Zukunft weisendes verleiht.

Angesichts der real existierenden Voraussetzungen ist selbstkritische Ehrlichkeit angebracht, ob das Mitte-Links-Lager dazu derzeit in der Lage ist. So müssen als potenziell betrachtete Partner hier und da aus bestehender Regierungsverantwortung heraus agieren. Aus einer Lage also, in der sie ja gerade wie das Gegenteil einer über das bestehenden Jammertal hinausweisenden Perspektive erscheinen - das gilt für die SPD in Thüringen genauso wie für die Linkspartei in Brandenburg, die es bisher nicht geschafft hat, ihrer Landespolitik einen guten Ruf als Projekt wirklicher Veränderung zu verleihen.

Zudem zerren bundespolitische Einflüsse am ostdeutschen Parteiensystem, die Hoffnung der Grünen, sich auch in den »neuen« Ländern als Scharnierpartei zu etablieren, wird die von Hoff angesprochene Idee der Gemeinsamkeit nicht zwangsläufig stärken. In Sachsen neigt die einzige Grünen-Politikerin von Bedeutung, Antje Herrmenau, durchaus zu einem Bündnis mit der CDU. Das lässts ich überdies mit dem Argument begründen, Zweier-Bündnisse seien stabiler als Dreier-Konstellationen.

Abgesehen davon bleibt es richtig, alle Möglichkeiten auszuloten, in denen nicht nur Verbesserung von Lebensbedingungen hier und heute erreicht werden könnten, sondern die auch die Ausgangsbedingungen für weiter reichende Veränderungen verbessern. Das ist keine leichte Aufgabe, zumal die Linken - nicht nur die gleichnamige Partei - nicht auf wohlwollende Begleitung der Öffentlichkeit setzen können. Umso wichtiger wäre dialektische Gelassenheit, welche die unabweisbaren Widersprüche linksreformerischer Politik nicht aus Angst vor Konflikten wegredet, sondern als Treibmittel eigenen Vorankommens begreift. Das setzt Veränderungen in den Institutionen voraus - auch ein anderes Denken, die Rollen von Parteien, Fraktionen, Ministern betreffend. Und es bedarf des ehrlichen Rückblicks.

Ostdeutschland war aufgrund seiner starken Linkspartei immer schon das Labor anderer Mehrheiten. Ob es auch Labor einer wirklichen anderen Politik sein kann, muss sich immer wieder neu erweisen. 2014 könnte hierbei ein spannendes Jahr werden.

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