Die Lücke schließen

US-Finanzminister Lew kritisiert deutschen Exportüberschuss

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 3 Min.
Im November betrug die deutsche Außenhandelsbilanz satte 18,1 Milliarden Euro. Doch hat die Nachricht auch ihre Schattenseiten, weil Währungsturbulenzen drohen.

US-Finanzminister Jacob Lew hätte sich keinen besseren Termin für seinen Besuch bei seinem deutschen Amtskollegen Wolfgang Schäuble (CDU) aussuchen können. Denn am Mittwoch veröffentlichte das Statistische Bundesamt (Destatis) die neuesten Zahlen zur Außenhandelsbilanz. Und die legte im November 2013 im Vergleich zum Vorjahresmonat um satte 7,1 Prozent zu. Lew dürfte das nicht gefreut haben. Die USA kritisieren wie der Internationale Währungsfonds und die EU-Kommission seit längerem schon die hohen deutschen Exportüberschüsse.

Deutschland exportierte im November 2013 Waren im Wert von 94,6 Milliarden Euro. Damit knackte es in den ersten elf Monaten des letzten Jahres wiederholt die Marke von einer Billion Euro und erwirtschafte in dem Monat einen Außenhandelsüberschuss von 18,1 Milliarden, da die Einfuhren lediglich 76,5 Milliarden Euro betrugen. Im November 2012 hatte dieser Saldo noch 16,9 Milliarden Euro betragen.

Vor allem die Ausfuhren in EU-Länder außerhalb der Eurozone nahmen mit einem Plus von 4,9 Prozent zu, während die Exporte in Mitgliedsstaaten der Währungsunion und Länder außerhalb Europas nahezu unverändert blieben. Gleichzeitig sanken die Einfuhren aus der Eurozone und aus Ländern außerhalb der EU um ein Prozent auf 34,1 beziehungsweise 26,7 Milliarden Euro.

Angesichts dieser Zahlen wiederholte US-Schatzmeister Jacob Lew die Washingtoner Bedenken gegenüber Finanzminister Wolfgang Schäuble. Es sei sehr wichtig, dass die Lücke zwischen Aus- und Einfuhren schrumpfe, so Lew. Mehr Konsum und mehr Investitionen im Inland nannte der Demokrat »eine gute Sache« für Deutschland und für die Weltwirtschaft. Bereits Ende Oktober letzten Jahres hatte Lews Ministerium vor den hohen deutschen Exportüberschüssen gewarnt.

Unterstützung erhielten die USA dafür prompt vom Internationalen Währungsfonds (IWF). Die EU-Kommission leitete im November letzten Jahres sogar ein Verfahren gegen Deutschland ein. Dadurch wolle sie prüfen, »ob der hohe Exportüberschuss Auswirkung auf ganz Europa hat«, erklärte damals EU-Kommissionschef José Manuel Barroso. So verstieß Deutschland mit seinen Überschüssen gegen die Gleichgewichtskriterien der Währungsunion. Diese sehen einen maximalen Leistungsbilanzsaldo von sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts vor. Deutschland hat diesen Wert jedoch nach Angaben EU-Kommission seit 2007 jedes Jahr überschritten.

Für den Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Gustav Horn, ist die Kritik der USA an Deutschland berechtigt: »Die vergangenen Überschüsse waren für die Eurokrise mitverantwortlich«, erklärt Horn gegenüber dem »neuen deutschland«. Wenn ein Land Überschüsse habe, müssten sich nämlich andere verschulden. In der Vergangenheit waren das vor allem andere Eurostaaten.

Zwar hat sich dieses Problem aufgrund der wachsenden Exportanteile in Länder außerhalb der EU auf die Weltwirtschaft verlagert, weshalb »die USA jetzt stärker hinschauen«, so Horn. Doch birgt auch dies Gefahren für die Eurozone. So drohen Horn zufolge »eine Aufwertung des Euro und Wechselkursturbulenzen«, die die Gesundung der Eurokrisenländer gefährde. Das IMK plädiert deswegen seit längerem für mehr öffentliche Investitionen und stärkere Lohnzuwächse. Dies würde Deutschland nicht nur unabhängiger vom Export machen, sondern auch den restlichen EU-Staaten zugute kommen.

Finanzminister Wolfgang Schäuble wollte von der Kritik an den deutschen Überschüssen indes nichts wissen: »Wir führen unsere Gespräche nicht, um uns gegenseitig Zensuren zu verteilen, sondern um uns besser zu verstehen«, wehrte der CDU-Mann die Worte seines US-Kollegen ab.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal