Snowden rein, NSA raus!

EU-Parlamentarier fordern Aussetzung von Abkommen mit den USA

  • Fabian Köhler
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein halbes Jahr haben sie debattiert, nun sollen Taten folgen: EU-Abgeordnete berieten am Donnerstag über Konsequenzen aus dem NSA-Skandal und beschlossen die Anhörung Edward Snowdens.

Verträge mit den USA sollen außer Kraft gesetzt, ein Datenschutzabkommen geschlossen werden: Mit ungewöhnlich deutlichen Konsequenzen aus dem weltweiten Überwachungsskandal befasste sich am Donnerstag der »Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres« im EU-Parlament. Der Entwurf für den Abschlussbericht des seit einem halben Jahr tagenden NSA-Untersuchungssausschusses kritisierte die Überwachungspraktiken des amerikanischen Geheimdienstes scharf und forderte weitgehende Maßnahmen zum Schutz der Privatsphäre von EU-Bürgern.

Vorgelegt wurde der Text bereits am Mittwochabend vom EU-Abgeordneten Claude Moraes. Neben Ergebnissen aus der Arbeit des Gremiums listet der Bericht auch die Einschätzungen von Experten, wie dem Enthüllungsjournalisten Glenn Greenwald, auf. Überraschend deutlich ist dabei die Kritik an der Abhörpraxis der NSA. Der Bericht »verurteilt äußerst nachdrücklich die enorme, systematische und umfassende Sammlung von persönlichen Daten unschuldiger Menschen«. Dass die Überwachung ausschließlich dem Kampf gegen Terrorismus diene, sei »äußerst zweifelhaft«. Hingegen gefährde die Datensammlung Bürgerrechte, Presse- und Meinungsfreiheit.

Auch die Empfehlungen, die der Bericht ausspricht, sind ungewohnt konkret: Die EU-Mitgliedsstaaten werden aufgefordert energischer gegen Aktivitäten fremder Geheimdienste und die Speicherung der Daten ihrer Bürger vorzugehen. Außerdem soll die Übereinstimmung von Gesetzen mit der EU-Menschenrechtskonvention geprüft werden.

Am weitestgehend sind allerdings die Forderungen an die europäische Politik: So sollen eine Reihe von Abkommen mit den USA aufgekündigt werden. Hierzu zählt unter anderem das Safe-Harbor-Abkommen, welches es bisher amerikanischen Unternehmen wie Google, Microsoft und Facebook ermöglicht, Daten von EU-Bürgern, die auf amerikanischen Servern lagern, nach US-Recht zu verarbeiten. Auch das 2010 verabschiedete SWIFT-Abkommen sowie des »Terrorist Finance Tracking Programme« sollen beendet werden. Die Abkommen ermöglichten amerikanischen Behörden bisher den Zugriff auf Bankdaten von EU-Bürgern. Eine Revidierung der Entscheidung solle erst möglich sein, nachdem die USA Datenschutzbedenken ausgeräumt haben.

Darüber hinaus soll die EU ein Datenschutzabkommen mit den USA vereinbaren, welches es EU-Bürgern unter anderem ermögliche, rechtlich gegen die Speicherung ihrer Daten durch amerikanische Behörden vorzugehen. Auch in technischer Hinsicht verlangt der Entwurf eine Abkoppelung von den USA und den Aufbau einer europäischen Internetinfrastruktur. Die EU solle außerdem Vorbildfunktion für »eine demokratische und neutrale Reglementierung des Internets« übernehmen.

Während das Ergebnis der Beratung des Innen- und Justizausschusses zu Redaktionsschluss noch nicht vorlag, dürften nach Einschätzung linker und grüner Abgeordneter die konservativen Abgeordneten im Parlament dafür sorgen, dass der Abschlussbericht vor der Verabschiedung noch abgeschwächt wird. Durchgesetzt hatten sich diese am Donnerstagmorgen auch mit der Forderung, den Ex-Geheimdienstler Edward Snowden nur per Video-Liveübertragung im EU-Parlament anzuhören. Vorausgegangen waren mehrere erfolglose Anläufe, die Befragung des Whistleblowers auf eine zeitversetzte Videobotschaft zu beschränken. Als Grund hierfür galt die Gefahr einer möglichen Zurückverfolgung der Übertragung zum Standort Snowdens durch die NSA. Dieser soll deshalb eine Live-Befragung vor einigen Wochen bereits abgelehnt haben.

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