Das Hässliche ist das Schöne

Von Liebe, Schmutz und der Lust, die Moral zu missachten

  • Lesedauer: 3 Min.

Der Sohn eines aus Deutschland stammenden Schneiders wuchs in den USA in ärmlichen Verhältnissen auf. An die Schule, die er im New Yorker Stadtbezirk Brooklyn besuchte, hatte er später eher schlechte Erinnerungen: »Mich kann man nichts lehren; ich muss alles selbst herausfinden.«

Mit finanzieller Unterstützung seines Vaters nahm er ein Universitätsstudium auf, das er jedoch nach zwei Jahren wieder abbrach, um mit einer älteren Frau zusammenzuleben. Als das väterliche Geld aufgebraucht war, jobbte er als Kellner, Plakatkleber und Barmixer. Auch als Cowboy versuchte er sein Glück, doch seine romantischen Vorstellungen von einem Leben im Wilden Westen kollidierten alsbald mit der Realität. Er kehrte zurück nach New York und arbeitete im Schneidergeschäft seines Vaters, wo er seine Vorliebe für feine Stoffe und Anzüge entdeckte.

Die Lösung

Für drei Gewinner dieser Folge stellt der Verlag Ullstein den Band von Jana Simon »Sei dennoch unverzagt. Gespräche mit meinen Großeltern Christa und Gerhard Wolf« zur Verfügung. Die Malerin, nach der wir letztes Mal fragten, war: 
Gabriele Münter.
Gewonnen haben: Iris K., Zeitz; Liselotte Sch., Chemnitz; Otto P., Rostock. Die Gewinner sind mit der Veröffentlichung einverstanden.
Einsendeschluss: 18. Dezember (Poststempel)

Nachdem er mit 26 Jahren zum ersten Mal geheiratet hatte, bewarb er sich als Bote bei einer Telegrafenfirma. Hier brachte er es bis zum Personalchef, dem es unter anderem oblag, Berichte über andere Mitarbeiter abzuliefern. Während dieser Zeit lernte er seine zweite Frau kennen, eine Tänzerin, die ihn ermutigte, seinen Job aufzugeben und sich ganz der Schriftstellerei zu widmen. Sie unterstützte ihn dabei finanziell und sparte genug Geld, damit beide nach Paris reisen konnten. Hier begann er wie besessen zu schreiben und verarbeitete in seinen Texten alles, was er sah, hörte, fühlte und erlitt. Mit seiner Frau und einer Geliebten führte er eine Dreiecksbeziehung, aus der gewissermaßen das erste Buch hervorging, das er selbst für bemerkenswert hielt. Es erregte sofort nach seinem Erscheinen großes Aufsehen und wurde in zahlreichen Ländern verboten. Doch wie üblich in solchen Fällen erhöhte dies nur den Reiz und damit die Auflage des Buches.

Motiviert durch den überraschenden Erfolg arbeitete er an neuen Büchern, häufig in Anwesenheit seiner Geliebten, die hoffte, aus ihm einen kultivierten Menschen machen zu können. Stattdessen entdeckte sie immer mehr Befremdliches in seinem Wesen. Hässliches ziehe ihn magisch an, er finde es regelrecht schön, klagte sie: »Er liebt Gewöhnlichkeit, Slang, Unterweltlokale, Schmutz, Verkommenheit. Er liebt den Geruch von Kohl, der Armut und von Prostituierten.« Am Ende war die Enttäuschung so groß, dass sie die Beziehung beendete: »Wir sind füreinander Gespenster geworden.«

Nach einem Aufenthalt in Griechenland kehrte der von uns Gesuchte wegen des Zweiten Weltkriegs in die USA zurück. Mit einem Freund, den er in Paris kennengelernt hatte, bereiste er den Süden des Landes und ließ sich schließlich an der kalifornischen Küste nieder.

In seinen späteren Jahren wandte er sich verstärkt philosophischen Fragen zu. Er bewunderte Friedrich Nietzsche und kritisierte den leeren Materialismus des modernen Lebens. Was er für besonders verderblich hielt, war die im Westen vorgeschriebene und praktizierte Unterdrückung der Triebe. Erst wenn Menschen ihre Sexualität frei ausleben könnten, erklärte er, seien sie fähig, sich von der Zwangsmoral der Gesellschaft zu lösen.

Nach vier gescheiterten Ehen lernte der 75-Jährige eine japanische Sängerin kennen, die er bald darauf heiratete. Doch auch diese Beziehung war nicht von langer Dauer. Während seine junge Frau auf seine Kosten umherreiste, saß er unglücklich zu Hause, malte Aquarelle oder spielte in der Nacht Klavier. Nach seiner letzten Scheidung blieben ihm noch drei Jahre, in denen er zwar keine finanziellen Sorgen hatte, aber dennoch unzufrieden war. Das tägliche Gerangel um Ruhm und Geld widerte ihn an. »In meinem nächsten Leben möchte ich ein ganz gewöhnlicher Mensch sein«, schrieb er verbittert, »ein Nobody, einer der nichts tut. Das ist mein Ideal.« Lebenssatt und einsam starb er mit 88 Jahren in Los Angeles.

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