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Umstrittene Vielfalt

Bildungsrauschen

  • Lena Tietgen
  • Lesedauer: 3 Min.

In der Regel verläuft das Entwickeln, Beschließen und Umsetzen von Bildungsplänen geräuschlos. Auch den in Baden-Württemberg vorgelegten »Leitprinzipien für den Bildungsplan 2015«, die sich für »Akzeptanz sexueller Vielfalt« in Unterricht und Materialien aussprechen, wäre es so ergangen, hätte sich nicht ein Realschullehrer mit seiner Petition »Kein Bildungsplan 2015 unter der Ideologie des Regenbogens« auf www.openpetition.de dagegen gestellt und den Medien zur Futter gegeben. Denn in deren Welt zählt der zu erreichende Erregungszustand. Und so wurde fast punktgenau mit dem von Respekt gezolltem Outing von Thomas Hitzlsperger diese Petition durchs Dorf getrieben. Von stern.de, dw.de, ard.de über schwarzwaelder-bote.de bis merkur-online.de, alle sprangen auf das Thema und machten so das eigentlich Selbstverständliche, die sexuelle Vielfalt, zum Politikum, bei der auch die Kirche nicht fehlen durfte. Auf elk-wue.de nahmen beide christlichen Landeskirchen Stellung zur »Akzeptanz sexueller Vielfalt«: »Jeder Form der Funktionalisierung, Instrumentalisierung, Ideologisierung und Indoktrination gilt es zu wehren. Dies gilt nicht zuletzt im sensiblen Bereich der sexuellen Identität und damit verbundener persönlicher und familiärer Lebensentwürfe.« Und so wurde aus dem einsamen Realschullehrer ein viel diskutierter Mann. Er war aber schon vorher nicht wirklich einsam. Gabriel Stängel ist Referent für das Referat Erziehung, Bildung, Schulpolitik im Realschulverband Baden-Württemberg, der sich nun auf www.rlv-bw.de von der Petition abgrenzt und den zunächst »falschen Eindruck« bedauert.

Die Wucht an Kommentaren zeigt die hohe Emotionalität bei dem Thema sexuelle Vielfalt. Auf zeit.de meint Ron888, dass sich die Petition »gegen Übersexualisierung und Instrumentalisierung der Schule und Lehrpläne richtet. Homosexualität und andere sexuelle Neigungen betrifft eine Minderheit. Entsprechend sollte die Aufmerksamkeit begrenzt sein. Es kann nicht sein, dass Vielfalt bedeutet, jede sexuelle Form und Praktik unbedingt im Unterricht ausführlich behandeln zu müssen. Jeder hat das Recht, seine persönliche Sexualität auszuleben, wenn sie sich im Rahmen der Gesetzgebung bewegt. Doch das heißt nicht, dass alle mitmachen müssen oder zur Nabelschau gezwungen werden. Jugendliche sollten selbst aus sich heraus zu einer für sie angemessenen sexuellen Neigung kommen. Dies bedarf keiner plakativen Anschauung und Moralkeule im Unterricht. Für einen heterosexuellen Mann ist es z.B. trotz Toleranz eben keine angenehme Vorstellung, über Sex mit anderen Männern zwangsweise nachdenken zu müssen, er muss auch nichts über deren Praktiken wissen. Echt nicht.«

Nun hat schriebener.net eine Gegenpetition gestartet, in der u.a. steht: »Ich kann die Umsetzung der ›Akzeptanz sexueller Vielfalt‹ nur unterstützen. Bei Schüler_innen ein Bewusstsein zu schaffen, wonach Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, Transsexuelle und Intersexuelle (LSBTTI) nichts ›Abnormales‹ sind, halte ich für wichtig und richtig. Die Argumentation, LSBTTI sei gefährlich, halte ich für falsch und vollkommen verquer.« Lena Tietgen

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