Bauern mit Tieflader

Die LINKE möchte die heimische Landwirtschaft und die dörflichen Strukturen schützen

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 4 Min.
40 Großprojekte verändern das Gesicht der märkischen Landwirtschaft - nach Ansicht der Sozialisten nicht zum Vorteil.

»Wenn Leute in Brandenburg Flächen kaufen, um ihr Geld zu verstecken, dann ist das nicht im Sinne der märkischen Landwirtschaft«, sagte gestern der agrarpolitische Sprecher der Linksfraktion Michael Luthardt. Er sprach von dem neuen Phänomen der »Tiefladerbauern«. Das seien Unternehmer, die nur noch als Dienstleister auftreten, bestimmte Arbeiten wie Pflügen oder Eggen erledigen und danach mit ihren Maschinen wieder verschwinden. Dergleichen zerstört nach Luthardts Ansicht die dörfliche Struktur. Kritisch sehe die LINKE auch die Errichtung von gigantischen Anlagen wie die beabsichtigte Schweinemast in Hassleben. »Damit haben wir unsere Probleme«, unterstrich er, durchaus im Unterschied zu Agrarminister Jörg Vogelsänger (SPD), der die geplante Tierproduktion in Hassleben befürwortet.

Getadelt werden solche Vorhaben nicht allein deshalb, weil der Arbeitsplatzgewinn für die Region durch solche Projekte ein minimaler sei, sagte Luthardt. Er sprach von 40 derartigen Projekten, die das Gesicht der brandenburgischen Landwirtschaft nachhaltig verändern würden, und keineswegs zu ihrem Vorteil. Brandenburg sollte zur Verhinderung solcher Vorhaben sein Baurecht ändern und dann in Anschlag bringen.

Dabei gehe es nicht um die Frage, ob ein Betrieb klein oder groß sei, unterstrich der Abgeordnete. In Brandenburg seien die Betriebe schon vor hundert Jahren größer gewesen als anderswo. Dazu haben die vergleichsweise schlechten Böden gezwungen. Die wichtigere Frage sei, welche Auswirkungen auf das Tierwohl, auf die Sozialstruktur und die wirtschaftlichen Aussichten gegeben seien. Das Tierfutter dürfe nicht aus brasilianischem Sojaextrakt bestehen, sondern sollte aus der einheimischen Landwirtschaft gewonnen werden. Leider stammen nur elf Prozent der in Berlin und im Umland verbrauchten Bioerzeugnisse aus Brandenburg, klagte Luthardt.

Deshalb wolle die LINKE nachhaltig die Selbstvermarktung einheimischer Bauern unterstützen und haben dazu gemeinsam mit der SPD einen parlamentarischen Antrag eingebracht. Wenn Erzeuger ihre Waren nach Berlin bringen, dann könnten sie das abgestimmt tun und sich dabei gegenseitig helfen, sagte Luthardt. Geplant ist demnach die Schaffung von Netzwerken, die Schulung im Bereich Direktvermarktung, die Hilfe bei der Bewerbung regionaler Erzeugnisse. Außerdem soll abgesichert werden, dass die einheimischen Erzeuger auch bei künftigen Veranstaltungen wie der Grünen Woche in Berlin ihre Produkte präsentieren können.

Auf die Frage, ob diese Absichten auch mit finanzieller Unterstützung des Landes rechnen können, sagte der designierte Finanzminister Christian Görke (LINKE), unter Zuhilfenahme von Fördergeldern der EU werde das Land Brandenburg solche Initiativen auch künftig absichern.

Der Ruf nach Direktvermarktung einheimischer Produkte statt unökologischer Lieferbeziehungen von Großketten ist nicht neu. Beispielsweise könne Milch aus Brandenburg am sichersten auf dem Wege der Direktvermarktung erworben werden, weiß Agrarminister Vogelsänger. Es sei »ärgerlich«, wenn Milcherzeuger von außerhalb auf dem Markt »so tun, als stammte ihre Milch aus der Region«, sagte er kürzlich. Denn mit der Marke Brandenburg werben mitunter auch jene, die gar keine regionalen Produkte anbieten.

Laut Landesbauernverband wäre Brandenburg mit 1,3 Millionen Tonnen Jahresproduktion »theoretisch« in der Lage, die Region mit ihren knapp sechs Millionen Einwohnern mit Milch zu versorgen. Doch machten die Milchströme heute »vor Grenzen nicht mehr halt«.

Nach der Wende hat keine Bereicherung, sondern eine nie dagewesene Verödung auf Brandenburgs Agrarflächen stattgefunden. Inzwischen dominieren Monokulturen wie Getreide, Mais, Grünfutterpflanzen und Raps, wurde im Rahmen einer Enquetekommission des Landtags festgestellt. Nicht etwa nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten, sondern zu DDR-Zeiten seien Artenvielfalt und Sortenspektrum »beträchtlich erweitert« worden, hieß es in einem dort präsentierten Gutachten. »Auf vielseitig nutzbaren Böden kamen seinerzeit örtlich 20 und mehr Fruchtarten zum Anbau.« Nach 1990 habe eine »drastische Verringerung« stattgefunden. Das wurde auf Anforderungen der Lebensmittelbranche zurückgeführt und auf eine Industrie, die Biomasse verarbeitet. Auch die massive Reduzierung der Viehbestände auf die Hälfte sei in Brandenburg Ausdruck einer Entwicklung, die zum Nachteil der heimischen Landwirte verlaufe.

Auch mit der Veredlung von Produkten ist es derzeit nicht zum Besten bestellt. Laut Luthardt gibt es inzwischen keinen größeren Schlachtbetrieb mehr in Brandenburg.

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