Schutzlos in Athen

Menschenrechtler beurteilen griechischen Regierungsentwurf für nationalen Aktionsplan als unzureichend

  • Filippos Sacharis, Athen
  • Lesedauer: 2 Min.
Der Umgang der griechischen Behörden mit Flüchtlingen stößt international immer wieder auf Kritik. Ein »Nationaler Aktionsplan für Menschenrechte« soll Verbesserungen bringen.

Erst in der letzten Woche sorgte der Tod von vier Flüchtlingen, die mit einem Boot griechischen und - damit europäischen - Boden erreichen wollten, international für Bestürzung. Die Küstenwache soll nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen versucht haben, das Boot in der Ägäis völkerrechtswidrig in Richtung Türkei zu schleppen. Pro Asyl spricht von einem sogenannten Pushback. Vor der kleinen griechischen Insel Farmakonisi kam es dann zur Tragödie: Das Boot kenterte. Acht der insgesamt 28 Passagiere werden noch immer vermisst.

Die griechische Regierung hat am Freitag umfangreiche Untersuchungen der Umstände angeordnet. »Die Justiz wird den Fall klären«, versicherte Handelsschifffahrtsminister Miltiadis Varvitsiotis im staatlichen Fernsehen. Das reicht Pro Asyl nicht aus. Die Organisation fordert eine Untersuchung durch eine unabhängige Kommission.

Diskriminierung und Menschenrechtsverletzungen sind aber auch jenseits dieser sich fast wöchentlich ereignenden Katastrophen derzeit ein wichtiges Thema in Griechenland. Das Justizministerium hat Mitte Januar einen Entwurf für einen »Nationalen Aktionsplan für Menschenrechte« vorgelegt. Mit diesem Plan soll die Menschenrechtslage in Griechenland verbessert werden.

Menschenrechtsorganisationen in Hellas kritisieren jedoch ihn als wenig erfolgversprechend und halten ihn für unzureichend. Der griechische Verein für Menschenrechte - die älteste existierende Menschenrechtsorganisation in Griechenland, gegründet im Jahr 1936 - erklärte, dass der Aktionsplan weder »national« sei noch (wegen seiner starken Parteilichkeit) die Menschenrechte verteidige. Er sei vielmehr einseitig und oberflächlich, so die Organisation.

Der Verein wies darauf hin, dass das Verbot von Folter sowie unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung auch in Polizeiwachen und Gefängnissen explizit gelten müsste. Nicht akzeptabel sei zudem, dass weiterhin keine Trennung zwischen Einrichtungen, die der Feststellung der Staatsangehörigkeit dienen, und Aufnahmenzentren für Flüchtlinge erfolgen soll. Da es an Fachpersonal für die Aufnahme von Flüchtlingen fehle, werden die Grundbedürfnisse von Asylsuchenden hauptsächlich mit Hilfe von Nichtregierungsorganisationen und Polizisten gedeckt.

Umstritten ist auch der Bürgerschutzdienst als »nationaler Präventionsmechanismus«, vor allem, weil es kein Kontrollorgan für solche Einsatzkräfte gebe und damit internationale juristische Standards nicht eingehalten werden.

Was das Strafvollzugsystem betrifft, so der Verein für Menschenrechte, seien ebenfalls keine Verbesserungen in Sicht. Die Haftbedingungen blieben unverändert, nicht einmal die Überbelegung werde beseitigt. Der geringfügig vorgesehene Bau neuer Gefängnisse werde die Probleme nicht lösen. Asylsuchende können ebenso wenig hoffen. Der Asyldienst, eine seit einem halben Jahr tätige nationale Behörde, soll nicht ausgebaut werden. Für das praktische Fehlen eines Asylsystems wurde Griechenland mehrfach von der EU und Mitgliedsstaaten gerügt.

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