Gehen die Firmen ins Ausland?

Deutschlands Wirtschaft investiert hierzulande so wenig wie noch nie

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Stimmung ist gut wie selten in der Wirtschaft. Doch Deutschlands Unternehmen investieren immer weniger. Wandert das Kapital lieber ins Ausland ab?

Statistiker verheißen nichts Gutes: Die sogenannte Unternehmensinvestitionsquote ist im Jahr 2013 auf ein Allzeittief von 9,9 Prozent des BIP gesunken; und im Mittelstand sank der Anteil der investierenden Firmen fast auf 40 Prozent - rund 400 000 Unternehmen weniger als noch 2007. Das sind besorgniserregende Daten, die kürzlich die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) veröffentlichte.

Investieren die Unternehmen lieber verstärkt im Ausland und haben deshalb entsprechend weniger Mittel für Investitionen in Deutschland? Nein, meint Michael Schwartz von der staatlichen Förderbank KfW. »Wir finden keinen Beleg für diese These, weder aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive, noch für den Mittelstand.« Statistische Fakten sprechen gegen die populäre These von der Kapitalflucht: So blieben die Direktinvestitionen im Ausland in den vergangenen Jahren relativ konstant bei rund 1,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Und zwar »netto«. Das heißt, im Mittel ist der Saldo aus Abflüssen ins und Zuflüssen aus dem Ausland seit der Wiedervereinigung nicht gestiegen - trotz rückläufiger Investitionsquoten im Inland.

Für den Mittelstand, der immerhin mehr als die Hälfte aller Investitionen tätigt, bestätigen Umfrageergebnisse diesen Befund: Eine Erhöhung der Investitionsaktivitäten im Ausland ist nicht festzustellen, nur drei Prozent der Mittelständler haben von 2010-2013 Direktinvestitionen getätigt. Seit sechs Jahren ist deren Anteil stabil geblieben.

Angesichts eines offenen Kreditzugangs, historisch niedriger Zinsen und einer guten Konjunktur überrascht die Investitionsmüdigkeit.

Als Erklärung bietet Schwarz die Verunsicherung von Managern und Unternehmern an. So beunruhigte die Eurokrise lange auch die Entscheider. Eine Analyse des Bundesverbandes der Volks- und Raiffeisenbanken (BVR) zeigt, dass seit dem Sommer das Sicherheitsgefühl - unterbrochen von der Bundestagswahl - zunimmt und wieder den langjährigen Mittelwert erreicht. Tatsächlich scheinen die Investitionen im vierten Quartal zugelegt zu haben.

»Wenn sich die Krise nicht wieder zuspitzt, kann 2014 das Jahr der Investitionen werden«, gab sich der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), Georg Fahrenschon, bei der Vorstellung der Studie »Diagnose Mittelstand« optimistisch. Auch das Ifo-Institut in München erwartet »kräftig steigende Ausgaben« für Ausrüstungsgüter wie Maschinen, Geräte und Fahrzeuge. Doch noch liegen die Einsätze weiterhin unter dem Vorkrisenniveau.

Ohnehin scheint die Investitionsschwäche strukturelle Gründe zu haben. Im internationalen Vergleich zeigt Deutschland eine extrem niedrige Nettoinvestitionsquote. Und das seit mehr als einem Jahrzehnt. In der EU hinkt die deutsche Wirtschaft aktuell selbst weit hinter Ländern wie Frankreich oder Italien zurück, die eher schwere Zeiten durchleben. Sparkassenboss Fahrenschon sprach am Dienstag in Berlin gar von »verlorenen Jahren«. »Der Mittelstand muss in diesem Jahr dazu beitragen, den notwendigen Investitionsschub auszulösen«, beschwor Fahrenschon. Dann sei es durchaus möglich, dass sich insbesondere die anziehende Binnennachfrage als Wachstumsmotor herausstelle.

Dabei können die Unternehmen des Exportvizeweltmeisters auf üppige Gewinne zurückgreifen. Bislang wurden diese offenkundig lieber »gespart« und auf den Finanzmärkten angelegt, als in die Zukunft des eigenen Unternehmens investiert.

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