Währungsreform in Etappen

Der Ökonom Omar Everleny Pérez Villanueva über die Auswirkungen der Reformen auf Kuba

  • Lesedauer: 4 Min.
Omar Everleny Pérez Villanueva ist Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität von Havanna. Er gehört zu den bedeutendsten Ökonomen des Landes und berät die Regierung bei den Reformmaßnahmen. Mit dem 53-Jährigen sprach Knut Henkel.

nd:Seit rund einem Jahr haben die Kubaner nun die Möglichkeit, mit Visa und Ticket frei ins Ausland zu reisen. Welchen Effekt hatte dies?
Pérez: Das neue Gesetz hat einen positiven Effekt, denn in diesem einen Jahr konnten rund 250 000 Kubaner ausreisen, darunter viele zum ersten Mal.

Allerdings kehrten rund 55 Prozent der Ausreisenden bisher nicht zurück - ein negatives Vorzeichen für die Wirtschaft des Landes?
Kubaner können bis zu 24 Monate im Ausland bleiben. Diese Chance nehmen viele wahr. Bis dato kann man also nicht sagen, ob die Leute zurückkommen werden oder nicht.

Aber es sind meist die Besserqualifizierten, die reisen. Fehlen die nicht auch in Kuba?
Es stimmt, dass oft die Gutausgebildeten ausreisen, aber anders als früher haben sie die Chance zurückzukehren oder im Ausland Geld zu verdienen und dann hier zu investieren. Das ist auch eine Option. Das hängt natürlich außerdem mit den wenig attraktiven Möglichkeiten auf der Insel zusammen, den niedrigen Löhnen, dem Fehlen von Anreizen und Prämien - da schauen sich die Leute eben um.

Gibt es denn inzwischen mehr Investitionen im privaten Sektor?
Ja, definitiv, aber wir wissen nicht, woher das Geld kommt, denn wir haben keine Messinstrumente, um dies zu verfolgen. Auch ist das Kreditangebot auf der Insel bescheiden.

Aber generell hat es den Anschein, dass es mehr Investitionen gibt.
Ja, denn die Anzahl der Privatunternehmer ist auf 446 000 gestiegen. Die Tendenz ist positiv ...

Parallel zu den steigenden Ausreisezahlen häufen sich die Berichte internationaler Medien über zunehmende soziale Probleme. Angeblich gibt es mehr und mehr Arme, die den Müll durchwühlen. Ist das korrekt?
Es gibt in Kuba Armut, das ist nichts Neues, aber dies wird hin und wieder von den internationalen Medien aufgebauscht. Wir haben eine Bevölkerungsschicht, die punktuell Unterstützung braucht. Aus unserer Perspektive besteht die Notwendigkeit, das Sozialsystem umzubauen und die Bedürftigen stärker in den Fokus zu stellen.

Schlagzeilen machte in den letzten Wochen, dass Kubaner nun anders als früher Autos ohne Sondergenehmigung kaufen können. Wie ist die Reaktion der Bevölkerung auf die doch sehr hohen Preise für Pkws?
Die Leute sind genervt von den hohen Preisen. Ich denke, dass diese Reform bisher den größten Unmut hervorgerufen hat, obwohl die Leute wissen, dass importierte Autos nun einmal teuer sind. Aber diese Preise haben die Allermeisten doch überrascht und der Traum vom eigenen Auto ist für viele am Horizont verschwunden.

Werden die Preise sinken?
Sie müssen, aber das wird dauern.

Vor einigen Monaten hat die kubanische Führung angekündigt, das bisherige Doppelsystem mit der offiziellen Landeswährung Peso cubano und der Devisenwährung Peso convertible aufzugeben. In den Straßen von Havanna geht das Gerücht um, dass die Währungsreform im März durchgeführt werden soll. Ist da etwas dran?
Nein, nein, das sind nur Gerüchte. Die Währungsreform wird nicht von heute auf morgen kommen, sondern in Etappen, die sich über zwei bis drei Jahre hinziehen werden. Die Pläne für die Umsetzung sind soweit fertig. Unklar ist bisher, wann man anfangen wird.

Was sind die Eckpunkte des Plans zur Währungsreform?
Man wird mit den Unternehmen anfangen, die bisher im Verhältnis 1:1 zwischen US-Dollar und Peso cubano gearbeitet haben. Deren Kurs wird sich auf 1:10 oder 1:12 verändern und dabei wird sehr genau analysiert werden, wie sich ihre ökonomische Performance dadurch verändert. Wir hoffen, dass die Wirtschaft mit dieser Maßnahme dynamischer wird und die Währungsreform dann auf die restlichen Unternehmen ausgeweitet werden kann. Erst danach soll die letzte Etappe erfolgen, die Umstellung für die Bevölkerung. Klar ist auch, dass die Währung, die bleiben soll, der Peso cubano ist, also nicht der Peso convertible. Wir behalten also die Währung, in der auch das Gros der Löhne gezahlt wird. Das hat politische Gründe.

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