Werbung

Kinder, wie die Zeit vergeht

Leverkusens Eren Derdiyok freut sich über sein erstes Tor seit November 2012, das zugleich der Siegtreffer zum 2:1 gegen Stuttgart war

  • Andreas Morbach, Leverkusen
  • Lesedauer: 4 Min.
Bazer Leverkusen schafft die Wende. Nach drei Niederlagen in Serie gelingt dem Werksklub gegen den VfB Stuttgart endlich ein Sieg.

Ein persönlicher Glückwunsch für den Siegtorschützen sollte es an diesem Tag schon sein. Dachte sich Sami Hyypiä und nutzte die Sekunden, als mal keiner etwas von ihm wissen wollte, für einen Abstecher zu Eren Derdiyok. Beim Leverkusener 2:1 gegen Stuttgart war der Schweizer Stürmer mit den alevitisch-kurdischen Wurzeln sechs Minuten vor dem Abpfiff - und neun Minuten nach seiner Einwechslung - im Tiefflug per Kopf zur Stelle gewesen. Der 25-Jährige beendete damit nicht nur die unerfreuliche Bayer-Serie von drei Niederlagen in Serie. Sondern auch die Wanderung durch seine persönliche Trefferwüste.

»Ich habe gerade mitbekommen, dass ich zuletzt 2012 ein Tor geschossen habe«, erwähnte Derdiyok bei seinem Interviewslalom - und staunte selbst am meisten über diese lange Durststrecke: »Da sieht man mal, wie schnell die Zeit vergeht.« Beim beruflichen Intermezzo in Hoffenheim fand er sich am Ende degradiert in der sagenumwobenen »Trainingsgruppe 2« wieder - so dass er vor fünf Monaten seinen zweiten Versuch in Leverkusen startete. Den vorläufigen Höhepunkt bei diesem Neuaufguss im Rheinland hat Derdiyok mit seinem Siegtor gegen den VfB gerade erreicht, und zum Dank drückte ihm Trainer Hyypiä während einem seiner Interviews die Hand und klopfte ihm wohlwollend auf den Hinterkopf.

»Ich bin enorm erleichtert. Ich bin umgefallen, aber wieder aufgestanden - auch wenn es lange gedauert hat«, gestand Derdiyok, dessen letzter Treffer vom 18. November 2012, erzielt im TSG-Dress, datierte. Doch umgeben von den vielen Gratulanten war ihm auch dieser Hinweis wichtig: »Nicht nur ich, die ganze Mannschaft hatte eine schwere Zeit.« Verschärft galt das für Stefan Kießling, dem Hyypiä vor dem VfB-Spiel riet, sich mal etwas weniger Gedanken zu machen. Beim Lösen des psychologischen Hakens bekam Kießling - nachdem Moritz Leitner die Gäste in Führung geschossen hatte (12.) - schließlich tatkräftige Unterstützung von Antonio Rüdiger.

Mit einem zu läppischen Befreiungsschlag eröffnete Stuttgarts Innenverteidiger dem Bayer-Stürmer nach 26 Minuten die Chance zum Ausgleich. Kießling nahm die Offerte an, hat nun in den letzten sieben Heimspielen gegen den VfB zehn Mal getroffen - und mit einer geschickten Finte gegen den Ex-Kollegen Daniel Schwaab bereitete er später zudem Derdiyoks Schlusspointe vor. »Ich freu mich für ihn«, erklärte Kießling, als der hochgewachsene Schweizer an ihm vorbei Richtung Kabine trabte, und schob hinterher: »Ich habe mich immer gut mit ihm verstanden. Auch schon, als er das erste Mal hier gespielt hat.«

Bei seinem zweiten Anlauf unter dem Bayer-Kreuz nimmt Derdiyok das gute Gefühl aus der Vorbereitung gerade mit in den Ligaalltag. »Ich hoffe, dass er jetzt weiter Gas gibt, jeden Tag. Und dass er seine Chance nutzt, wenn er spielen kann. Das ist der einzige Weg für ihn - ich hoffe, er weiß das«, hämmert Trainer Hyypiä dem Stürmer mit dem Hang zum Schlendrian ein. Zumal dem Finnen bekannt ist: »Sein Ziel ist es, mit zur WM zu fahren. Ich hoffe, dass wir ihm dabei helfen können.«

Die dafür nötigen Umstände formulierte Eren Derdiyok sicherheitshalber gleich an Ort und Stelle. »Ich will an dieser Mannschaft beteiligt sein«, betonte der 45-malige Schweizer Nationalspieler, der den Stand der Sterne als günstig für sich betrachtet. »Jetzt kommen bald die englischen Wochen, da braucht man viele Spieler. Es kann sein, dass der ›Kieß‹ da schon mal müde wird«, versetzte sich der gebürtige Basler in den Körper des 30-jährigen Sturmkollegen - bremste den aufkeimenden Übermut aber sofort wieder ein, indem er brav erwähnte: »Das ist natürlich eine Entscheidung des Trainers«.

Der Trainer Thomas Schneider entschied sich fürs Erste für einen etwas melancholischen Blick auf die gemein-bizarre Fußballwelt. »Ich fühle mich ein bisschen wie bei ›Und täglich grüßt das Murmeltier‹«, sagte der Übungsleiter der unterlegenen Schwaben. Innerhalb einer Woche machte seine Mannschaft aus drei 1:0-Führungen drei 1:2-Niederlagen, wobei der schmerzhafte Schlussakkord der Gegner jedes Mal in den letzten Minuten erfolgte. »Das Wort Abstiegsgefahr lass‘ ich verbal außen vor, aber jeder kann die Tabelle lesen«, kommentierte Schneider den Fehlstart des VfB ins Jahr 2014 - und fügte hinzu: »Die Situation ist kritisch. Aber sie ist es für acht andere Vereine auch.«

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal