Posaunen sollen Nazis vergraulen

Dresden läuft sich warm für Protest gegen Nazis am 13. Februar

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.
Dresden läuft sich warm für Protest gegen Nazis am 13. Februar. Die Stadt ruft zum vierten Mal zur Menschenkette, das Bündnis »Dresden nazifrei« will die Nazikundgebung ganz verhindern.

Posaunen können gefühlvolle Töne produzieren. Sie können, sagt Christian Behr, Dresdner Superintendent, aber auch laut werden. Posaunenchöre sind also nicht nur geeignet, die Menschenkette musikalisch zu untermalen, mit der die Stadt Dresden am 13. Februar zum vierten Mal ein Zeichen gegen Nazis setzen will – mehrere Bläservereinigungen sollen sich in die Kette einreihen, mit der die Innenstadt symbolisch abgeschirmt wird. Sie wären auch in der Lage, den Nazis den Marsch zu blasen, die am 69. Jahrestag der Zerstörung erneut das Gedenken vereinnahmen wollen – zumal, wenn sie wie angestrebt eine Kundgebung an der Frauenkirche auf dem Neumarkt abhalten dürften. Dorthin eigentlich lädt die Kirche zum stillen Gedenken. Falls nötig, sagt Behr, »können wir reagieren«.

Eine Kundgebung an der symbolträchtigen Kirche, deren Ruine lange als Mahnmal für die Kriegszerstörung diente, wäre der letzte Coup der Nazis. Vor wenigen Jahren lud die Szene in Dresden noch zu ihren europaweit größten Aufmärschen. Seit 2010 indes drängten Blockaden und starke Gegenwehr sie immer weiter zurück. Zuletzt zogen nur noch etliche hundert Kameraden um einen Häuserblock. Diesmal wollen sich die Anmelder offenkundig die Peinlichkeit eines erneut blockierten Umzugs ersparen; zugleich ist der gewählte Ort für ihre Versammlung eine bewusste Provokation.
Die Stadt hat diese Rechnung zunächst durchkreuzt; am Freitag erließ sie eine Verfügung, wonach die Kundgebung an einem anderen Ort stattfinden müsse. Sie verwies auf einen Passus im sächsischen Versammlungsgesetz. Es erlaubt Beschränkungen für Versammlungen an Orten von »herausragender historischer Bedeutung« und nennt explizit die Frauenkirche. Allerdings halten Kritiker das 2012 beschlossene Gesetz für verfassungswidrig. Klaus Bartl (LINKE) warnte bereits vor den »verheerenden Folgen« einer Pleite vor Gericht, durch die das »Ansehen Sachsens schweren Schaden nehmen« würde. Er riet, eine Verlegung mit dem traditionellen stillen Gedenken zu begründen. Ob die Nazis bereits Widerspruch eingelegt haben, konnte die Stadt gestern nicht sagen.

Unabhängig vom Ausgang der eventuellen Gerichtsverfahren rief CDU-Oberbürgermeisterin Helma Orosz gestern zu zahlreicher Teilnahme an der Menschenkette auf, die ein »wirkungsvolles Signal gegen den Missbrauch des Tages« sei. Nach den Erfolgen der letzten Jahre »dürfen wir jetzt nicht nachlassen«, sagte Hans Müller-Steinhagen, Rektor der TU Dresden und Anmelder der Menschenkette. Zu dieser werden erneut über 10 000 Bürger erwartet.

Auffällig ist, dass die Stadt zunehmend auch offensive Protestformen akzeptiert. Eine Liste der Aktivitäten führt auch »Protest in Sicht- und Hörweite der Nazi-Demonstration« auf, zu dem erstmals von Kirchen und DGB aufgerufen wird. Erwähnt wird auch der »Mahngang Täterspuren« des Bündnisses »Dresden nazifrei!«. Er wurde noch vor wenigen Jahren verboten; nun bezeichnet ihn die Rathauschefin als »würdige Veranstaltung«. Generell sieht sie im Verhältnis zum Bündnis »Dresden nazifrei!« eine »verbesserte Art des Miteinanders«. Zu seinen Blockadeaufrufen äußerte sie sich nicht.

Das Bündnis will am Dienstag über seine Pläne informieren. Bisher heißt es, man wolle »den Nazis nicht den Anschein eines Erfolges ermöglichen«; deren Kundgebung zu verhindern, müsse »unser Ziel sein«.

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