Zeitreise in die Weltfinanzkrise

Sieben frühere LBBW-Vorstände und zwei Wirtschaftsprüfer vor Gericht

  • Annika Graf, Stuttgart
  • Lesedauer: 3 Min.
Ex-LBBW-Chef Siegfried Jaschinski und seine früheren Vorstandskollegen sollen milliardenschwere Risiken in den Bilanzen verschleiert haben. Seit Donnerstag müssen sie sich vor Gericht verantworten.

Nächtelange Krisensitzungen, unerwartete Risiken, dürre Worthülsen und Anglizismen wie Asset Backed Securities: Der Prozess gegen sieben frühere Vorstandsmitglieder der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) ist eine Rückblende in die dramatische Zeit der Finanzkrise.

Die Staatsanwaltschaft wirft den Managern vor, Risiken verschleiert zu haben. Zweckgesellschaften für strukturierte Wertpapiere seien nicht in den Bilanzen der Jahre 2005 und 2006 aufgeführt worden. Der Vorstand habe damit einen ganzen Geschäftsbereich verschwiegen, sagte Staatsanwalt Heiko Wagenpfeil am Donnerstag zum Auftakt des Verfahrens vor dem Stuttgarter Landgericht. Und als die Vorstände im März 2009 den Geschäftsbericht für 2008 unterzeichneten, sei noch unklar gewesen, ob die Eigentümer - Sparkassen, Stadt Stuttgart und Land Baden-Württemberg - tatsächlich einspringen würden. Zu dem Zeitpunkt sei die Bank in ihrem Bestand gefährdet gewesen.

Lexikon

Im LBBW-Prozess geht es unter anderem um Geschäfte mit sogenannten Asset Backed Securities (ABS). Es handelt sich um durch Forderungen (Asset) gedeckte (Backed) Wertpapiere (Securities). Diese gelten als eine der Ursprünge der weltweiten Finanzkrise. Mit Hilfe der »strukturierten« Wertpapiere wurden Forderungen aus Krediten gebündelt, in verschiedene Risikoklassen aufgeteilt und handelbar gemacht. So landeten US-Hypotheken bei Investoren auf der ganzen Welt. Als viele Hausbesitzer ihre Kredite nicht mehr zurückzahlen konnten, verloren die Papiere dramatisch an Wert.
Banken wickelten ihre ABS-Geschäfte häufig über Zweckgesellschaften – auch Conduits oder Special Purpose Vehicles genannt – ab. Mit Hilfe dieser juristischen Personen, die einen genau definierten Geschäftszweck erfüllen sollen, konnten Risiken außerhalb der Bankbilanz gehalten werden. Außerdem musste für die Geschäfte kein Eigenkapital als Sicherheit gebildet werden. dpa/nd

Am 7. Dezember 2009 waren 240 Ermittler von Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt bei der Landesbank angerückt. Der Zeitpunkt der großangelegten Razzia war denkbar ungünstig. Wenige Tage später billigte die EU-Kommission Milliardenhilfen. Die Eigner hatten das Institut mit einer Kapitalspritze von fünf Milliarden Euro und Bürgschaften von 12,7 Milliarden Euro gestützt.

Ex-LBBW-Chef Siegfried Jaschinski wies die Vorwürfe zum Prozessauftakt zurück. Die Konsolidierung der Zweckgesellschaften habe der damals geltenden Rechtslage entsprochen. Wirtschaftsprüfer und Bankenaufsicht hätten die Bilanzen nicht beanstandet.

Allerdings sitzen auch zwei Wirtschaftsprüfer mit auf der Anklagebank. Ihr damaliger Arbeitgeber PricewaterhouseCoopers bezeichnet die Vorwürfe als »sachlich und rechtlich unbegründet«.

Die Staatsanwaltschaft hält dagegen, die Vorständen hätten verschleiert, dass Beherrschungsverträge bestanden. Die Zweckgesellschaften hätten deshalb in den Konzernabschlüssen 2005 und 2006 auftauchen müssen, heißt es in der Anklage.

Ob sich die Manager der Risiken bewusst waren, könnte einer der Knackpunkte in dem Verfahren werden: »Die Frage ist, wie beweise ich, dass das Risiko subjektiv anders eingeschätzt wurde«, sagt Sascha Kuhn, Wirtschaftsrechtsexperte bei der Kanzlei Simmons & Simmons. Das Verfahren gegen zwei Mitarbeiter der LBBW, die sich in diesem Anklagepunkt wegen Beihilfe verantworten sollten, wurde laut Gericht gegen eine Geldbuße bereits eingestellt.

Hans-Peter Burghof, Professor an der Uni Hohenheim, glaubt: »Es war ökonomisch falsch, die Risiken aus der Bilanz zu halten.« Rechtlich sei das aber akzeptiert worden. 24 Verhandlungstage hat das Gericht angesetzt. »Am Ende«, glaubt Bankenexperte Burghof, »wird die Überzeugungskraft der Gutachter mit entscheiden, wie das Verfahren ausgeht.« Eine Verurteilung hätte weitreichende Folgen: »Dann müssten alle Großbanken an den Pranger.«

Martin Hellmich, Professor an der Frankfurt School of Finance, weist darauf hin, dass an der schweren Schieflage nicht das LBBW-eigene Kreditgeschäft Schuld gewesen sei, sondern die 2008 mit der Übernahme der Sachsen LB eingekauften Risiken. »Dieses Engagement war eine ökonomische Fehlentscheidung, die Schaden verursacht hat, aber nicht justiziabel ist«, so Hellmich.

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