Protest gegen Nazis: »Lass dir nichts verdrehen«

In der Klassikerstadt Weimar stellt sich ein Bündnis gegen einen geplanten »Trauermarsch« Rechtsradikaler

  • Niklas Wuchenauer
  • Lesedauer: 3 Min.
Erneut wollen Rechtsradikale in Weimar zum Jahrestag der Bombardierung im Zweiten Weltkrieg einen »Trauermarsch« veranstalten. Linke und bürgerliche Gruppen kündigen Protest an.

Die Freude über das Ende der Dresdener Nazi-Demonstrationen ist noch präsent, da kündigen Nazis schon den nächsten Aufmarsch an, um die Bombardierung deutscher Städte zu instrumentalisieren. Wie in den vergangenen Jahren meldete der für seine Gewaltbereitschaft bekannte Michel F. einen »Trauermarsch« für den heutigen Samstag an. Etwa 90 Personen hatten schon 2013 die Luftangriffe auf Weimar im Zweiten Weltkrieg zum Anlass genommen, um »die Deutschen« zu Opfern des »alliierten Bombenterrors« zu glorifizieren.

Mit einer Gegenkundgebung unter dem Motto »Lass dir nichts verdrehen« will das »Bürgerbündnis gegen Rechtsextremismus Weimar« (BgR) der braunen Propaganda entgegen treten. Etwa 400 Menschen hatten im letzten Februar entlang der Demonstration gegen Nazis protestiert. Versuche, auf die Route zu gelangen und den Aufmarsch zu blockieren, waren aber gescheitert.
»Auch dieses Mal wollen wir den Nazis einen Strich durch die Rechnung machen! Unser Ziel ist es – ähnlich wie in Dresden – den Aufmarsch soweit wie möglich zu behindern«, erklärt Uwe Adler vom BgR zuversichtlich. Für die Nazis hat Weimar eine hohe Symbolkraft – eben wegen des KZ Buchenwaldes und der Rolle der Stadt im deutschen Faschismus. »Aber gerade wegen dieser Geschichte wollen wir verhindern, dass Weimar zu einem festen Termin im Kalender der Rechtsradikalen wird und sie mit ihrer Geschichtsverdrehung Anschluss finden!«

Bei den Angriffen im Februar 1945 wurde die Innenstadt stark beschädigt, rund 1300 Menschen kamen ums Leben. Besonders makaber ist, dass fast die Hälfte der Toten KZ-Häftlinge waren. Ihnen war es verboten, bei Luftangriffe Schutzräume aufzusuchen. Ohne ihre Zwangsarbeit hätte Weimar nie zu einem Zentrum der Rüstungsindustrie werden können – und damit zu einem Ziel für die alliierten Bomber. Kriegsproduktion, Bombardierung, Geschichtsrevisionismus – der Vergleich mit Dresden liegt nah. Jahrelange Proteste und Blockaden haben die dortigen Aufmärschen schlussendlich verhindern können. Nur: Wie werden die Nazis darauf reagieren? Wird es die erhoffte Signalwirkung für andere rechte Events geben, etwa die jährlichen Demonstrationen in Magdeburg? Oder werden sich die aus dem ganzen Bundesgebiet mobilisierten Nazis andere Termine suchen? – »Dass Weimar ein Ersatz für Dresden wird, glaube ich eher nicht«, meint Adler. »Das Problem hier ist eher der harte Kern von Nazis, die in Weimar und Umgebung wohnen. Die versuchen sich hier festzubeißen und gehen dabei in letzter Zeit zunehmend aggressiv vor. Heraussticht auch hier vor allem die Gruppe um Michel F.«

Ein Beispiel dafür dürfte der Angriff auf Gäste des besetzten Hauses Gerberstraße 3 vor fast zwei Wochen sein: Offenbar mit Vorsatz, eine Auseinandersetzung zum Zaun zu brechen, hatten mehrere Männer die Kneipe im Erdgeschoss betreten. Erst nachdem sie ihre Jacken abgelegt hatten, sei darunter Kleidung der bei Nazis sehr beliebten Marke »Thor Steinar« zum Vorschein gekommen, erklärten die Betreiber und verschiedene Zeugen später. Als man die Rechten daraufhin des Ladens verwiesen habe, hätten diese begonnen, die Einrichtung zu beschädigen. Im anschließenden Handgemenge sei vor allem ein afrikanisch-stämmiger Gast mit einer Bierflasche attackiert und als »scheiß Nigger« beschimpft worden.

Für den aus Sierra Leone stammenden Gast ging der Albtraum allerdings im Krankenhaus weiter: Zwei Rechtsradikale, die offenbar auch zur Behandlung kamen, griffen ihn zunächst im Behandlungszimmer an und lauerten ihm dann am Klinikausgang auf. – Harsche Kritik gab es auch am Verhalten der zu Hilfe gerufenen Polizei: Anstatt das in Eisenach lebende Opfer zu schützen sei der Mann des Geländes verwiesen worden – die Polizei »ist schließlich kein Taxi-Service« wird ein Beamter zitiert.
Die Kundgebung »Lass dir nichts verdrehen« beginnt am Samstag um 11 Uhr auf dem Goetheplatz in Weimar

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal