Millionen verschwunden im Kontenlabyrinth

Eigentumswohnungen und Eigentümergemeinschaften

  • Lesedauer: 4 Min.
Über 2000 Wohnungseigentümer im Raum Bonn fürchten um ihr Geld, das vermutlich im Kontenlabyrinth ihrer Wohnungsverwaltung verschwunden ist. Eine Ursache: Das Geld lag auf Konten, die auf den Namen der Verwaltung liefen - auf sogenannten Treuhandkonten. Ein Desaster, das im Prinzip jede Eigentümergemeinschaft treffen kann.

Das ganze Ausmaß der Katastrophe zeigte sich, als sich Mitte Januar 250 Betroffene in Bonn zu einer Informationsveranstaltung des Verbraucherschutzverbands wohnen im eigentum trafen. Sie gehörten zu 73 geschädigten Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) im Bonner Umfeld mit weniger als 10 und bis zu 100 Wohneinheiten. Sie gaben folgende Schätzungen für ihre Schäden ab: 5 WEG bis 10 000 Euro, 36 bis 50 000 Euro, 20 bis 200 000 Euro und 10 noch höher. Verbandsgeschäftsführerin Gabriele Heinrich schätzt einen Gesamtschaden in mehrfacher Millionenhöhe.

Das genaue Ausmaß ist für die einzelnen WEG derzeit nicht zuverlässig aufzuklären. Die Gel- der wurden von der Verwaltung zwischen den Konten der WEG hin- und hergebucht. Den WEG wurden als Nachweis Kopien von Sparbüchern vorgelegt, bei denen die Namen der zugeordneten WEG gefälscht waren. So wurden dieselben Sparbücher mehreren WEG vorgelegt. Wohnen im eigentum moniert, dass die Sparkasse KölnBonn und die Kreissparkasse Köln den Eigentümern die Auskunft verweigern oder nur sehr zögerlich antworten. Denn obwohl es sich um das Geld der Eigentümer handelt, seien sie nach Auffassung der Geldinstitute nicht auskunftsberechtigt, da bei Treuhandkonten die Verwaltung Kontoinhaber sei. Die Sparkassen berufen sich aufs Bankgeheimnis. Nur in Einzelfällen hat der Verwalter Vollmachten erteilt, so dass einzelne Eigentümer sich über den Kontostand informieren konnten.

Der Verbraucherschutzverband kritisiert, dass die Sparkasse KölnBonn trotzdem weiterhin Treuhandkonten anbietet anstatt vollständig auf die erheblich sichereren Fremdgeldkonten auf den Namen der Eigentümergemeinschaft umzustellen. Gegen solche Risiken seien Vorsorgemaßnahmen und Reformen auf allen Ebenen gefordert.

Getroffen werden kann jede Eigentümergemeinschaft

Die schwarz-rote Koalition hat sich in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen, die Wohnungseigentümer stärker als Verbraucher ernst zu nehmen. Wohnen im eigentum, aber auch andere Verbände und Interessenvertretungen auf dem Wohnungsmarkt sehen die neue Bundesregierung auf dem richtigen Weg. Das Ausmaß der Probleme sei jedoch bei Weitem nicht erfasst.

Viele - nicht alle - Kreditinstitute führen immer noch Treuhandkonten für WEG-Verwaltungen, bieten gar die Neueröffnung an. Selbst die Sparkasse KölnBonn gab das zu. Wohnen im eigentum fordert: Keine Neueinrichtung und zwingende Umstellung aller älteren Treuhandkonten. Dazu müssen Sparkassen und Banken die einzelnen Wohnungseigentümer und die WEG beraten. Ihre Aufgabe ist es, bei den Eigentümern für eine sichere Kontoführung aktiv zu werben, diese über weitere Möglichkeiten zur Kontenkontrolle zu informieren, was nicht geschieht. Noch heißt es: »Der Verwalter ist unser Kunde, nicht die Wohnungseigentümer.«

In Bonn kommt dazu, dass sämtliche Konten derzeit gesperrt sind. In Sorge um das Geld hat eine betroffene WEG einen Pfändungstitel gegen den mutmaßlich unseriösen Verwalter erhalten. Damit wurden alle WEG-Konten blockiert, da sie als Treuhandkonten rechtlich Konten der Verwaltungsfirma sind und nicht klar ist, wem das Geld tatsächlich gehört. Andere Rechtsmittel erschweren zudem die Klärung.

Leidtragende sind oft die einfachen Wohnungseigentümer, die um ihr investiertes Geld fürchten und abwägen, ob sie nun zusätzlich Geld ausgeben müssen für weitere Pfändungstitel und Gerichtsverfahren zur Entsperrung ihrer Konten. Zusätzlich stehen die WEG vor dem praktischen Problem, dass durch die Kontosperrung ihre laufenden Zahlungen an Versorgungsunternehmen nicht erfolgen. Rechnungen bleiben liegen. Gläubiger werden immer unzufriedener.

Die oft rechtsunkundigen Eigentümer müssen rasch für eine neue Verwaltung sorgen, notfalls für eine Übergangslösung. Das birgt wegen zahlreiche Fallstricke im Wohnungseigentumsgesetz zusätzliche Risiken.

Seit der Reform des Wohnungseigentumsrechts 2007 sind Konten auf den Namen der einzelnen WEG möglich und das einzig Richtige: Dann haben die Eigentümer selbst Anspruch auf Kontoauskunft, das erleichtert die Kontrolle. Eine Pfändung oder Insolvenz des Verwalters berührt die WEG-Konten nicht. Wohnen im eigentum wirbt seit Langem für eine sichere Kontoführung, zuletzt mit der Aktion »Sicherheitscheck für WEG-Konten« (siehe www.wohnen-im-eigentum.de/Eigentumswohnung/verwalter/treuhandkonto/ergebnis.html).

Verwalterausbildung und Kontrolle der Verwalter

Die Forderung nach einer besseren Verwalterausbildung fand Eingang in den Vertrag der Großen Koalition. Bisher kann jeder ohne nachprüfbare Ausbildung Wohnungsverwalter werden. Die Aufgabe verlangt jedoch kaufmännische und technische sowie kommunikative Kompetenzen. Ausbildung allein schützt nicht vor Unterschlagung und Manipulation.

Kontinuierliche Kontrolle der Verwaltungen durch die Eigentümer und ihre Beiräte ist die einzige wirkliche Garantie gegen große Verluste. Der Verband wohnen im eigentum unterstützt dabei die Eigentümer und die Verwaltungsbeiräte - insgesamt gibt es 9,3 Millionen Eigentumswohnungen - durch Fortbildungen, Informationsmaterial und Vernetzung. Hier sind gesetzliche Verbesserungen erforderlich, mehr staatliche Unterstützung wünschenswert.

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