Spiritueller Kamikaze

»Iranien« im Forum

  • Carolione M. Buck
  • Lesedauer: 2 Min.

Fünf Männer auf einem Teppich. Vier tragen Bart, drei auch Turban und die langen Mäntel der Mullahs. Der fünfte trägt Streifenhemd und Hose, glattrasiertes Kinn und Brille. Er ist der der Gastgeber - und von vornherein der Unterlegene in dieser mehrtägigen Debatte über Gottesstaat und Gemeinschaft, Laizismus und Verhüllung und die Frau als Versuchung des Mannes. Und unterschwellig immer auch über die Macht der Männer mit den Bärten in einer Gesellschaft, die nach ihrem Bild erschaffen wurde.

Es ist eine spirituelle Kamikaze-Aktion, die der exil-persische Filmemacher Mehran Tamadon sich mit »Iranien« zumutet. Denn was nützt es, sich als gleichberechtigter Iraner zu fühlen, wenn einem das Recht dazu abgesprochen wird, weil man die ehernen Gesetze Gottes leugnet, die Notwendigkeit abstreitet, männliche Augen vor weiblichen Reizen schützen zu müssen, wenn man statt der Ayatollahs lieber Fotos des gestürzten Premiers Mossadegh aufhängt und zum Entsetzen der frommen Kleriker Platten mit singenden Frauenstimmen hört? Ein Atheist im Gespräch mit vier überzeugten Anhängern der islamischen Revolution, verzweifelt bemüht, sie von seiner Daseinsberechtigung innerhalb ihres rigiden Systems zu überzeugen - man müsste es »Pilpul« nennen, wenn dieser jüdische Ausdruck nicht das Letzte wäre, was die Mullahs als Definition ihrer Debatte mit dem Filmemacher zulassen würden.

Der Regisseur wiederum schont sich nicht, weder vor noch hinter der Kamera. Wiederholt festgehalten und befragt, des Filmprojekts wegen wochenlang an der Ausreise gehindert, verwendete er im Schnitt trotzdem im Zweifelsfall nicht die perfekte eigene Antwort auf die Provokationen der Kleriker, sondern das eigene Zögern, Schweigen, Zweifeln. Eine Taktik, die sich auszahlt: Während die Männer reden und kochen, essen und beten, scherzen und immer wieder reden, reden, reden, formuliert der Zuschauer ständig eigene Argumente, um Tamadon aus der Klemme zu helfen.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal