Staat will beim Sex mitverdienen

Bundesrechnungshof will Pro-Kopf-Abgabe für Prostituierte einführen

  • Marian Krüger
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Fiskus hat eine neue Idee zum Geldverdienen aufgetan: Bordelle sollen künftig Steuern für ihre Angestellten abführen.

Geht es nach dem Bundesrechnungshof (BRH), helfen künftig Bordellbetreiber den Finanzämtern beim Steuereinzug. Die Besitzer von Escort-Agenturen, Bordellen und ähnlichen Unternehmen sollen künftig für die Steuern der bei ihnen tätigen Prostituierten haften und 25 Euro pro Tag und Kopf abführen. Das Geld könnten sie ja dann mit den Prostituierten verrechnen, so der BRH. Eine Milliarde Euro soll das dem Fiskus bringen. Die obersten Finanzwächter denken jedoch weiter: Mit der Ausdehnung der Umsatzsteuer auf Sexdienstleistungen wollen sie Kasse machen.

Dass die Besteuerung der Prostitution »nach wie vor völlig unzureichend« sei, ist nach Auffassung des Bundesfinanzministeriums Schuld der Länder. Ansonsten wollen Schäubles Leute mit dem Thema nichts zu tun haben. Sie sträuben sich vehement gegen die Forderung des BRH, die Kompetenz für die neue Abgabe auf den Bund zu übertragen. Die »Einführung nicht durchsetzbarer Gesetze führe nur zu unnötigem Bürokratieaufwand«, heißt es dazu in einer Stellungnahme. Der BRH will hingegen die Absicht der Großen Koalition nutzen, das Prostitutionsgesetz zu verschärfen, um die Finanzkontrollen im Rotlichtbereich zu verdichten.

Seine ambitionierten Einnahmeerwartungen stützt der ansonsten stets um Seriosität bemühte Rechnungshof allerdings auf zweifelhafte Grundlagen. So zitiert er Schätzungen des Bundesfinanzhofs - immerhin das höchste deutsche Steuergericht - wonach der »Jahresumsatz einer Prostituierten 30 000 Euro betrage, wobei die Beamten 200 Arbeitstage und «drei Freier täglich» unterstellten (2011). Das Finanzgericht Hamburg ging 2013 schon von «Jahreseinnahmen von 120 000 Euro bei einer im Bordell tätigen Prostituierten aus, bei fünf Arbeitstagen und »Tageseinnahmen von durchschnittlich 500 Euro«. Die Juristen sehen hier sehr großzügig über die Unterschiede zwischen Umsatz, Einnahmen und Einkommen hinweg, auch dem BRH will das nicht auffallen. Es wird also nicht nur so getan, als ob Prostituierte alle ihre Einnahmen behalten könnten, sondern dem Gewerbe der Arbeitsrhythmus einer Behörde unterstellt.

Für Karolina Leppert, von der Berliner Beratungsstelle Hydra e.V., bewegen sich diese Vorstellungen »jenseits aller Realität«. Bis zu 45 Prozent der Einnahmen einer Prostituierten gingen an den Bordellbetreiber, hinzu kämen weitere Ausgaben, etwa für Fahrtkosten. Jeden Tag 500 Euro seien ebenso »völlig illusionär«, wie die bürokratische Vorstellung, dass die Frauen quasi »täglich zum Dienst« erscheinen. In der Branche herrschen flexible Arbeitszeiten. Viele Frauen, gehen hauptberuflich einem oft schlecht bezahltem Job nach und müssen sich zudem um Kinder kümmern. Leppert widerspricht auch dem Eindruck, dass Prostituierte generell keine Steuern zahlten. Viele melden sich unter anderen Berufsbezeichnungen beim Finanzamt an. Der vom BRH avisierten Regelung billigt sie keinen gerichtlichen Bestand zu. Hier werde der Grundsatz der Individualbesteuerung verletzt.

Niemand bestreitet, dass Einkommen aus Prostitution der Steuer unterliegen. Die BRH-Pläne sind jedoch nicht nur wegen ihrer Ignoranz gegenüber den Spezifika des Sexgewerbes neben der Spur. Während Hoeneß, Schwarzer & Co. den epidemischen Steuerbetrug der Upperclass aufzeigen, konzentriert sich die fiskalische Fantasie des Rechnungshofes lieber auf Huren, Dominas und Callboys.

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