nd-aktuell.de / 15.02.2014 / Kultur / Seite 16

Grundloses Glück

Elias Gottstein: Jurymitglied des Friedensfilmpreises

Boris Nowack

Als Elias Gottstein und Carl Luis Zielke vor vier Jahren ihre Wohnung aufgaben, hatte das rein pragmatische Gründe. »Wir wollten Straßenmusik machen und stellten fest, dass wir uns kaum in unserer Wohnung aufhielten, für die wir aber jeden Monat Miete zahlten«, erinnert sich Gottstein. Seither ist das Duo Guaia Guaia ohne Obdach, aber selten obdachlos unterwegs, verdient mit Auftritten und CD-Verkäufen Geld und fragt im Publikum, wer noch eine leere Couch für die nächste Nacht hat. Auf selbst zusammengeschweißten Fahrrädern geht es tags darauf weiter, Zugposaune, Gitarre, Laptop und Generator im Gepäck. Der Regisseur Sobo Swobodnik drehte über diesen alternativen Lebensstil den Dokumentarfilm »Unplugged: Leben Guaia Guaia«, der 2012 auf dem Filmfest München den Publikumspreis gewann.

Die Musik wurde Gottstein in die Wiege gelegt. Beide Eltern sind professionelle Musiker. Begeistert waren die zwar nicht, als ihr Sohn die Schule mit der zehnten Klasse abbrach und sich nach dem Zivildienst in Frankfurt am Main auch noch für ein Leben ohne festen Wohnsitz entschied, aber sie ließen ihn machen. Vielleicht beruhigt es sie daher, dass Guaia Guaia ihr viertes Album »Eine Revolution ist viel zu wenig« bei einem großen Musiklabel herausbrachten. Existenzängste hatten Gottstein und Zielke schon vorher keine, aber nach einer Wohnung steht ihnen weiterhin nicht der Sinn: »Diese Freiheit ist uns wichtig beim Musikmachen.« Mit viel Geld würde Gottstein eher ein Gemeinschaftsprojekt realisieren, einen Ort schaffen, der eine positive Wirkung auf den Planeten hat. Vielleicht sind es diese revolutionären Gedanken, die ihn in die Jury des Friedensfilmpreises führten.

Als Guaia Guaia auf einer Demonstration gegen Atomwaffen im rheinland-pfälzischen Büchel spielten, lernten sie Leute der IPPNW kennen. Der 1980 gegründete und seit 1982 auch in Deutschland aktive Verein internationaler Ärzte zur Verhütung des Atomkriegs hat die Schirmherrschaft über den am 16. Februar zum 29. Mal verliehenen Friedensfilmpreis. »Ich fühle mich geehrt, in der Jury sitzen zu dürfen«, sagt Gottstein. »Ich habe mit Sicherheit einen anderen Blick auf die Filme.« Er gibt zu, dass er in Sachen Film noch unerfahren ist, seit der Zusammenarbeit mit Swobodnik, der letztes Jahr in der Jury saß, jedoch Gefallen an dem Medium gefunden hat. Bis Sonntag wird er sich 40 Filme angeschaut haben. Die Verleihung findet im Kino Babylon statt, im Anschluss wird der Gewinnerfilm vorgeführt.

Und was bedeutet nun eigentlich Guaia Guaia? »Es ist ein Kunstwort, das ich mir ausgedacht habe«, erklärt Gottstein. »Es bedeutet ›grundlos glücklich‹ und wer es eine Stunde lang wiederholt, wird erleuchtet.« Eine gute Voraussetzung für den Frieden.

Der Friedensfilmpreis wird am Sonntag im Kino Babylon in Mitte verliehen. www.friedensfilm.de[1]

Links:

  1. http://www.friedensfilm.de