Verteilungsproblem im Gesundheitswesen

Kathrin Vogler (LINKE) fordert einen Haftungsfonds für die Heilberufe

  • Lesedauer: 3 Min.
Kathrin Vogler sitzt für die Linksfraktion im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages. Sie hält die derzeitige Situation der freiberuflichen Hebammen für untragbar für den gesamten Berufsstand der Geburtshilfe. Mit ihr sprach Grit Gernhardt.

nd: Brauchen wir eigentlich freiberufliche Hebammen in Deutschland oder ist die Betreuung von Geburten durch die Krankenhäuser abgesichert?
Vogler: Frauen sollte die Entscheidung, in welchem Umfeld sie ihre Kinder zur Welt bringen wollen, nicht genommen werden. Immer mehr möchten dabei zu Hause oder im Geburtshaus sein, weil sie eine Geburt als natürlichen Vorgang und nicht vordergründig als medizinisches Ereignis ansehen. Das ist ein Gegentrend dazu, dass es immer mehr Kaiserschnitte gibt, die vielleicht nicht alle medizinisch notwendig sind.

Versicherungen und Krankenkassen haben ja bisher keine tragfähigen Lösungen für die Hebammen angeboten. Muss die Politik eingreifen?
In der letzten Wahlperiode gab es eine Petition, die fast 200 000 Menschen unterschrieben haben. Derzeit läuft wieder eine. Schwarz-Gelb hat das aber liegengelassen. Wir sollten jetzt unbedingt einen neuen Aufschlag machen und gucken, wie wir die Versorgung Schwangerer auch in der Fläche sicherstellen können. Die LINKE hat in der vergangenen Legislaturperiode gefordert, dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht die Angemessenheit der Beiträge zur Berufshaftpflichtversicherung überprüft. Zudem wollten wir einen gemeinsamen Fonds für Heilberufe. Dieser soll die Haftung für Behandlungsfehler innerhalb der Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung übernehmen. Das hätte das Geschäft aus den Händen der Privatversicherer genommen. Dann wäre erstens die Angemessenheit der Beiträge besser kontrollierbar und zweitens führt die private Versicherung zu einer Menge Zusatzkosten: Da müssen die Gewinne der Aktionäre mitfinanziert werden und es gibt Rechtsstreitigkeiten zwischen den Versicherern und den Frauen, die die Hebammen mitfinanzieren.

Warum verweigert sich die Politik so einem Fondsmodell?
In der vergangenen Wahlperiode saß in der Grundsatzabteilung des Gesundheitsministeriums an führender Stelle jemand, der vorher für den Verband der Privaten Krankenversicherung gearbeitet hatte. Da waren die Verbindungen zwischen FDP und Versicherungskonzernen sehr eng. Nun wird man sehen müssen, ob unter der Großen Koalition der Lobbyeinfluss weiter so groß ist. Andererseits scheinen die Haftpflichtversicherer an dem Geschäft auch gar kein Interesse mehr zu haben, wie man am angekündigten Ausstieg der Nürnberger Versicherung sieht.

Unser Antrag ist damals von allen anderen Fraktionen abgelehnt worden. Wir können nur hoffen, dass die Regierung vor dem Hintergrund der dramatischen Lage noch mal neu darüber nachdenkt.

Wie könnte man die Situation der Hebammen noch verbessern?
Wir haben es im Gesundheitswesen mit einem Verteilungsproblem zu tun. Seit langem steigen die Honorarsätze für nichtärztliche Gesundheitsberufe gar nicht oder sehr viel weniger stark an als diejenigen der Ärzte. Immer mehr Physio- und Ergotherapeuten kommen mit ihren Einkommen nicht aus. Eine Hebamme hat mir kürzlich erzählt, dass ihr Schuldenberater ihr gesagt habe, dass sie lieber ihren Job aufgeben und Hartz IV beantragen solle, dann habe sie deutlich mehr Geld zur Verfügung. Das kann natürlich keine Lösung sein. Wenn wir über eine gute flächendeckende Versorgung sprechen, müssen wir auch über die nichtärztlichen Berufe sprechen, weil die für die Patienten - bzw. im Falle der Hebammen für die Schwangeren, die nicht unbedingt im Krankenhaus gebären wollen - genauso wichtig sind.

Auch für Vor- und Nachsorge ...
Genau. Es ist jedoch ein Problem, wenn Hebammen nur noch auf Vor- und Nachsorge beschränkt werden, denn damit können sie nicht genug verdienen. Aber diese Leistungen sind wichtig. Wenn Mütter beim Stillen unterstützt und im Umgang mit dem Kind beraten werden, hat das nicht nur gesundheits-, sondern auch familienpolitische Vorteile.

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