Hausbesuch bei der Domina

Die SM-Autorin Nala Martin erzählt über ihren Job in Hamburg und ihre Pläne für ein neues Buch

  • Volker Stahl, Hamburg
  • Lesedauer: 4 Min.
Ihre Berufspraxis als Domina hat Nala Martin neben ihrem Informatik-Studium erworben, inzwischen erschienen zwei SM-Romane von ihr. Eine Begegnung mit einer ungewöhnlichen Frau.

Kein monotones Klatschen einer Gerte surrt durch die Luft, auch liegen weder Latexhandschuhe noch Gleitmittel auf dem Tisch. Wer die professionelle Domina Nala Martin in ihrem beschaulichen Eigenheim in Tötensen besucht, der stolpert im Garten über heruntergefallene Äpfel, erblickt eine Sandkiste und eine Kinderrutsche und staunt über die biederen Waschbetonplatten auf der Veranda. Ein Hauch von bürgerlicher Familienidylle umweht das am Ende einer Sackgasse gelegene Grundstück, auf dem die Autorin mit ihrem Verlobten, zwei Kindern und drei Katzen lebt.

Das »Studio« in Hamburg, wo die Autorin immer noch dem Domina-Gewerbe nachgeht, ist weit weg. Aber in der Phantasie mancher Nachbarn ist es ganz nah. Der nach dem Weg befragte Anwohner, der mit seinen Rottweiler Gassi geht, ist über Nala Martins Profession gut informiert - auch wo »die Domina« wohnt, weiß er genau. Was er von den einschlägigen Praktiken hält, verrät der alte Herr mit einem spitzbübischen Lächeln gerne: »SM? Wissen Sie, ich bin jetzt 71 - mein Fall ist das nicht.« Der Fall von vielen erlebnishungrigen deutschen Frauen offenbar schon, zumindest in der Phantasie - das lässt jedenfalls der grandiose Erfolg des Sex-Schockers »Shades of Grey« vermuten, der nicht zuletzt wegen der darin geschilderten SM-Praktiken zu einem Bestseller avancierte.

Die Hausherrin trägt Jeans, Holzschuhe mit Püscheln, einen dunkelblauen Pullover mit züchtigem weißen Kragen. Sie begrüßt den Besucher mit sanftem Händedruck. Nala Martin ist offen, unkompliziert und gehört zu dem Menschenschlag, mit dem man schnell ins Gespräch kommt. Mit 33 Jahren gehört sie in der SM-Szene zum alten Eisen, wie sie sagt. Zugang zu der Szene fand die Österreicherin durch ihren damaligen Freund. Der hatte zu Hause Gerten herumstehen. »Ich dachte: Toll, der reitet gerne, mag Pferde«, sagt Nala. Sie wollte ihn überraschen und organisierte zwei Reitpferde für einen Ausflug. »Als er die erblickte, fiel er aus allen Wolken und sagte: Du, ich muss dir etwas erklären: Ich bin SMler.«

Heute ist Nala Martin SMlerin. Ihre Berufspraxis als Domina hat sie neben ihrem Informatik-Studium erworben. »Obwohl ich als Domina arbeite, stehe ich privat nicht ständig mit der Peitsche am Bett«, stellt sie klar. »Das ist nur mein Job.« Einer von vielen übrigens: Sie erstellt Datenbanken, ist Fotografin - und Autorin.

Vor dem Erscheinen ihres Debütromans »Safeword« und der Fortsetzung »Panic Snap« hat sie Kurzgeschichten geschrieben - für ein SM-Fachmagazin. Alles sei realistisch in ihren Büchern, betont Nala Martin, vieles habe sie selbst erlebt oder von Kolleginnen gehört. Die Mehrzahl ihrer Kunden ist zwischen 40 und 65 Jahre alt - Dominas sind meist deutlich jünger. Es gebe zwar auch 60-Jährige, aber das seien Ausnahmen: »Die passen nicht mehr ins Beuteschema der Kundschaft«, erklärt Nala, »wer ins Studio geht, will oft eine junge und keine Frau, die so alt ist wie die eigene.«

Dass die meisten Männer älter sind, stört die Sexarbeiterin nicht: »Die Herren ab 35 sind stilvoller, nehmen sich mehr Zeit, stellen sich zunächst vor und reden gerne. Da ist immer auch ein bisschen Gesprächstherapie dabei.« Apropos Ventilfunktion: »Junge Männer haben mehr Druck, kommen schnell zur Sache, fragen unverblümt: Kann man dich auch ficken?« Trotz jugendlichen Sturm und Drangs - passiert ist der Domina bei ihren Sessions nie etwas. Die schlimmste Verletzung: ein abgebrochener Fingernagel. »Ich habe immer nur Sachen gemacht, die ich verantworten konnte«, sagt Nala Martin.

Heute bedient sie nur noch Stammkunden. Neuanfragen wehrt sie ab, obwohl das Geschäft einträglich ist. Der Stundensatz einer Domina liegt zwischen 150 und 700 Euro. Wie viel sie nimmt, verrät Nala nicht.

Was sagt ihr Umfeld zu ihrer Arbeit als Domina und Autorin? »Die meisten meiner ehemaligen Mitschüler finden das cool, besonders die Frauen sind sehr verliebt in meine Bücher.« Sind die angefixt? »Das will ich gar nicht so genau wissen.« Frauen seien meist offener, Männer experimentierfreudiger. Ihre Eltern, erzählt Nala Martin, hätten sie stets unterstützt, auch die meisten Nachbarn reagieren »total entspannt, sie verstehen, dass die Tätigkeit als Domina nur eine Facette meiner Persönlichkeit ist«.

Ihre Zukunft als Autorin soll nicht monothematisch bleiben. Derzeit plant die studierte Informatikerin ein Buch über Menschen, die an der Stoffwechselkrankheit Mukoviszidose leiden. Ob sich die SM-Romanfolge zu einer Trilogie auswächst, lässt sie offen: »Mal sehen.« Denn: »Trends enden irgendwann.«

Zum Abschied bitte noch ein Foto, am besten zusammen mit einer Katze. Doch dann die Überraschung: Püsel, Pauli und Ares - in der griechischen Mythologie der Gott des Krieges, des Blutbades und Massakers - gehorchen auch der Domina nicht. Erst als sie die Tiere mit einer Scheibe Wurst lockt, lassen sich Püsel und Pauli blicken.

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