Taktiererei um Skelette

Ethnologische Sammlung: Weiter Streit über Rückgabe von Gebeinen aus Afrika

  • Julia Vitalis
  • Lesedauer: 2 Min.

Das Depot der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) in Berlin-Friedrichshagen birgt ein brisantes Erbe aus der deutschen Kolonialzeit: 10 000 menschliche Überreste aus den drei ethnologischen Sammlungen, die Kaufleute, Wissenschaftler und Eroberer im 19. und frühen 20. Jahrhundert nach Berlin gebracht hatten, werden dort derzeit noch gelagert.

Bereits 2011 gingen die Sammlungen der Charité mit Ausnahme der Bestände aus Namibia und Australien in den Besitz der SPK über. Diese gehört Bund und Ländern, wobei die Bundesregierung den größten Eigentumsanteil hält und mit 75 Prozent den größten Teil des Stiftungsvermögens beisteuert. Geplant ist die Abgabe einer unbestimmten Anzahl von Überresten an eine Einrichtung außerhalb der SPK, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion vom November letzten Jahres hervorgeht. Für die in Friedrichshagen befindliche Sammlung der Charité werde allerdings ausgeschlossen, dass sich darin »menschliche Gebeine aus ehemaligen deutschen Kolonien oder aus Übersee befinden, die bei Entstehung oder Erwerb der Sammlung bzw. ihrer Teile einem ethisch problematischen Kontext unterlagen«, teilte die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme mit.

Für Kritiker des Umgangs mit diesem kolonialen Erbe stellt sich jedoch die Frage, wie diese Feststellung ohne ausführlichere Herkunftsforschung getroffen werden konnte. Wie aufwändig sich eine solche Forschung gestaltet, zeigt das »Charité Human Remains Project«, dessen Finanzierung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft vor zwei Monaten endete. Es war eingerichtet worden als Reaktion auf einen Bericht des MDR von 2008 über die Lagerung von menschlichen Überresten u.a. in der Charité. Eine erste Rückgabe von zwanzig Schädeln an Namibia erfolgte im Jahr 2011, eine weitere von 33 Gebeinen an Australien im April 2013. Von den Schädeln und Skeletten aus Namibia konnten bisher insgesamt lediglich 30 weitere identifiziert werden. Eine zweite Übergabe mit den Überresten von insgesamt 21 Menschen soll am 5. März erfolgen.

Die namibische Seite wünscht sich eine raschere Rückgabe aller Gebeine. Es gibt jedoch noch andere Hindernisse als die einer möglicherweise unklaren Herkunft: Nach Aussage von Christian Kopp vom Verein »berlin postkolonial« fallen die Richtlinien des Deutschen Museumsbundes für den Umgang mit den »Human Remains« weit hinter internationale Regelungen wie die des »International Council of Museums« bzw. der UN-Rechte der indigenen Völker zurück. Rechtlich bindend sind allerdings auch diese nicht, es handelt sich lediglich um eine Art Selbstverpflichtung der Mitglieder.

Der Botschafter Namibias in Deutschland, Neville Gertze, wünscht sich daher, dass die beteiligten Institutionen »sich auf eigene Initiative hin bei uns melden, um uns über ihre Forschungsergebnisse Auskunft zu erteilen, ohne dass wir sie in einem für uns sehr langwierigen und auch schwierigen Prozess ausfindig machen müssen«.

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