Die ganze Flotte

Krim will alle ukrainischen Schiffe behalten

  • Klaus Joachim Herrmann
  • Lesedauer: 3 Min.
Bis zu ihrer Abschaffung waren es die Kernwaffen, immer die Gas- und Erdölpreise und nun wieder die Schiffe der Schwarzmeerflotte - allzeit größte Konfliktpotenziale für Russland und die Ukraine.

Natürlich war es eine Provokation, als am Dienstag die neue prorussische Führung der Krim unter Premier Sergej Aksjonow die Hand auf die ganze Schwarzmeerflotte legte. Die im Hafen Sewastopol der Halbinsel liegenden Schiffe sollen nach dem Referendum am kommenden Sonntag über den Anschluss an Russland beschlagnahmt und nicht an die ukrainische Regierung in Kiew übergeben werden. Die Fahrrinne sei blockiert.

Wie viele Schiffe betroffen sind, wurde bislang nicht bekannt. Wenige Tage zuvor beklagte das Verteidigungsministerium der Ukraine, dass Russland ein eigenes Schiff versenkt habe, um ukrainischen Schiffen das Auslaufen aus dem südlichen Krimstützpunkt Novooserne in das Schwarze Meer zu verwehren. Das Meer sei dort neun bis elf Meter tief, der obere Teil des Schiffes zu sehen. Vorsorglich wurden von der ukrainischen Marine in letzter Zeit sichere Häfen wie Odessa angesteuert.

So sieht eine Demütigung aus. Denn Kiew kann nur zusehen. Die Manöver zur Prüfung der Gefechtsbereitschaft der ukrainischen Armee dürften nicht ergeben, dass sie einen Waffengang mit dem Nachbarn bestehen könnte. Allerdings hatte auch die nun in Kiew regierende Vaterlandspartei gegen Russlands Schwarzmeerflotte mobil gemacht. Sie sollte nach 2017 von der Krim verschwinden.

Seit sich die Ukraine Anfang der 90er Jahre für staatlich souverän erklärte und als unabhängiger demokratischer Staat proklamierte, blieb die Schwarzmeerflotte eines der großen Probleme im Verhältnis mit dem mächtigen Nachbarn. Statt in der Sowjetunion fand sich die Flotte mit ihrem wichtigsten Stützpunkt Sewastopol plötzlich in einem Nachbarstaat wieder.

International weniger beachtet blieb ein früher Versuch Moskaus, das Problem auf seine Weise zu lösen. Am 21. Mai 1992 fasste Russlands Oberster Sowjet den Beschluss, die Angliederung der Schwarzmeer-Halbinsel an die Ukraine vom Februar 1954 als »juristisch wertlos« zu betrachten. Parlamentschef Ruslan Chasbulatow ordnete das ein in den »Kampf mit der Gesetzlosigkeit des früheren Obersten Sowjets« und unterstrich, dass damit keine territorialen Begehrlichkeiten verknüpft seien. Juristen warnten jedoch, bei Rücknahme der 1954er Beschlüsse würde der vorherige Status der Krim wiedergestellt - der eines Gebiets der Russischen Sowjetrepublik. Das wäre ein deutlicher Anspruch auf Änderung des Status quo. Außer einer Verschlechterung der Beziehungen zur Ukraine veränderte sich danach allerdings nichts.

Jahrelang verhandelte der Kreml mit Kiew. Mehrfach glaubte er bereits, das große Geschäft gemacht zu haben. Besonders glücklich war Boris Jelzin, als er seinem damaligen ukrainischen Präsidentenkollegen Kraw-tschuk dessen Hälfte der Flotte gegen einen Schuldenerlass abschwatzte.

Doch das Blatt wendete sich und die Verhandlungen fingen wieder von vorn an. Die Flotte werde 50:50 geteilt, hieß es daraufhin. Sewastopol wurde die Basis der russischen Schwarzmeerflotte. Für die ukrainische war kein Platz mehr. Russland wollte sich ohnehin zu seiner Hälfte noch 30 bis 35 Prozent der anderen hinzukaufen.

Der ukrainische Nachbar, so meinte Russland lässig, sei ohnehin nicht in der Lage, gleichzeitig Flotte und Infrastruktur an den Küsten zu unterhalten. Es ging um einen großen militärischen Brocken. Er bestand aus 840 Schiffen aller Kategorien, vom U-Boot bis zu Rettungs- und Versorgungsschiffen. Hinzu kamen eine Division des Küstenschutzes in Simferopol, eine Brigade Marineinfanteristen in Sewastopol und eine mit seegestützten Raketen ausgerüstete Division in Katscha und Oktjabrskoje.

In Abkommen von 1995 und 1997 war es dann so weit. Die Flotte wurde geteilt in die russische Schwarzmeerflotte und die Kriegsmarine der Ukraine mit getrennter Stationierung auf ukrainischem Territorium. Ein Grundlagenabkommen sicherte Moskau den Stützpunkt Sewastopol bis zum Jahr 2017. Im Jahre 2010 wurden noch einmal 25 Jahre mit einer Option für weitere fünf Jahre draufgeschlagen.

Künftig wird Russland vermutlich weder Pacht zahlen noch irgendwelche Einschränkungen beachten müssen. Bislang konnten sich in den Gewässern der Krim nach russischen Angaben bis zu 388 Schiffe, darunter ein Kreuzer, 13 U-Boot-Jäger und 9 kleine Raketenschiffe sowie 25 000 Angehörige der Flotte auf den Stützpunkten Sewastopol, Feodossija und Nikolajew aufhalten.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal