Grobes Foulspiel - ganz im Geheimen

Wirbel um Personalie in Sachsen-Anhalts G 10-Kommission

  • Hendrik Lasch, Magdeburg
  • Lesedauer: 3 Min.
In dem Gremium, das in Sachsen-Anhalt den Geheimdienst kontrolliert, gibt es Streit um eine Personalie. Der wurde öffentlich. Die Opposition wittert Geheimnisverrat.

In bundesdeutschen Parlamenten gibt es schwarze Löcher: Gremien, in denen zwar mehr oder weniger fleißig gearbeitet wird, über deren Tätigkeit aber nichts nach außen dringen darf. Die Rede ist von Parlamentarischen Kontrollkommissionen (PKK), deren Mitglieder die Arbeit der Geheimdienste überwachen - aber nichts darüber erzählen dürfen. Sie seien »zu besonderer Verschwiegenheit, auch gegenüber anderen Mitgliedern des Landtags, verpflichtet«, heißt es etwa im Landtagslexikon Sachsen-Anhalt.

In Magdeburg freilich hat die Verschwiegenheit einen Riss bekommen - was jetzt für erheblichen Wirbel sorgt. LINKE und Grüne verlangen eine Sondersitzung des Gremiums; die Linkspartei fordert außerdem sogar die Staatsanwaltschaft zu Ermittlungen auf, weil der »Straftatbestand des Geheimnisverrats« erfüllt sei.

Auslöser für die Aufregung ist ein Artikel in der »Mitteldeutschen Zeitung«, in dem im Detail über eine Personalentscheidung der PKK berichtet wird. Es geht um die dort gewählte G10-Kommission, ein Gremium, von dem sich Polizei und Verfassungsschutz mögliche Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis genehmigen lassen müssen. Dieses ist in Artikel 10 des Grundgesetzes geregelt, was den Namen des Gremiums erklärt. Es geht etwa um die Überwachung von Telefonen und Mailverkehr.

Zum Mitglied des Gremiums wurde der Wittenberger Jörg Schindler gewählt, Rechtsanwalt und Abgeordneter der LINKEN. Seine Fraktion glaubt, dass er wegen seiner politischen und beruflichen Erfahrung die Pflichten »tadellos erfüllt«, wie ihr Chef Wulf Gallert gestern feststellte. Dem Artikel zufolge erfüllt Schindler aber eine Voraussetzung nicht: Er fiel bei der obligatorischen Sicherheitsüberprüfung des Verfassungsschutzes durch. Mutmaßlicher Grund ist seine Mitgliedschaft in der »Roten Hilfe«. Schindler nennt diese eine »antifaschistischer Rechtshilfeorganisation«, Verfassungsschützer sehen sie als Hort von Linksextremisten.

Für die Öffentlichkeit war das Ergebnis der Überprüfung ebenso wenig bestimmt wie das Prozedere, das dem Abgeordneten dennoch zur Wahl verhalf. Angeblich gab es am Tag der Personalentscheidung ein Patt, weil das SPD-Mitglied in der PKK fehlte. Zwei anwesende CDU-Leute votierten gegen den Kandidat, die Vertreter von LINKE und Grünen für ihn - Schindler war gewählt. Ein »GAU« für die Sicherheitsbehörden, schreibt die MZ. Folge: Das Gremium solle »dem Vernehmen nach« nicht mehr tagen, bis der Linksabgeordnete ersetzt sei.

Darauf drängt vor allem die CDU: Schon im Januar, berichtete Gallert gestern, seien er und der parlamentarische Geschäftsführer Frank Thiel von Unionsseite informiert worden, dass die Sicherheitsüberprüfung von Schindler und das Votum in der PKK Thema im Fraktionsvorstand der CDU gewesen seien; man habe beschlossen, eine Neuwahl für das G10-Gremium zu erreichen. Die CDU erklärte gestern, einen Beschluss habe es nicht gegeben. Dennoch schäumt man bei der LINKEN: Diese Debatte sei »nur unter Ausnutzung einer Straftat - dem Geheimnisverrat - möglich« gewesen. Einziger Zweck sei die »Diskreditierung« Schindlers und damit die Schädigung der Partei als Ganzes, sagte Gallert. Er sieht im Vorfall eine »neue Dimension der politischen Auseinandersetzung«.

Eine Sondersitzung der PKK forderte gestern auch der grüne Innenexperte Sebastian Striegel. Er nannte es zudem »hanebüchen«, das G10-Gremium nur wegen der Personalie für komplett arbeitsunfähig zu erklären. Gallert sieht das ähnlich: Ein Sicherheitsrisiko, merkt er unter Verweis auf das Informationsleck an, gebe es ohnehin nicht in der Kommission, dafür aber »definitiv im Bereich des Innenministeriums und der PKK«.

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