Werbung

Bratislava und Prag sorgen sich um Folgen der Krimkrise

Fico nennt Sanktionen gegen Russland »unsinnig«, Sobotka beugt sich nur mit Skepsis und Zurückhaltung

  • Jindra Kolar, Prag
  • Lesedauer: 3 Min.
Ernsthafte Wirtschaftssanktionen gegen Russland hat die EU beim Gipfel in Brüssel noch nicht beschlossen. Nicht zuletzt, weil manche ihrer Mitglieder ernsthafte Bedenken haben.

»Die Slowakei kann keine unsinnigen wirtschaftlichen Sanktionen gegen Russland unterstützen, weil uns das selbst unglaublich schaden würde«, zitierte die Nachrichtenagentur TASR den slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico. Die Ukraine, die bisher ihre Schulden bei Russland nicht bezahlt habe, wolle nun der EU auf der Tasche liegen. Er betrachte es als »schweren Fehler, wenn jetzt die EU der Verantwortung für die Ukraine übernimmt«, sagte Fico, der sich am 29. März einer Stichwahl ums Präsidentenamt stellen muss. Die Slowakei ist ebenso wie die benachbarte Tschechische Republik und andere EU-Staaten, die einst dem Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) angehörten, wirtschaftlich eng an Russland gebunden. Ernsthaften Wirtschaftssanktionen der EU gegen Russland, denen sich Tschechien und die Slowakei als Mitgliedstaaten wohl oder übel anschließen müssten, sieht man daher sorgenvoll entgegen.

Nicht nur, dass beide Länder ihre Energieressourcen aus dem Osten beziehen, Russland ist auch sonst einer ihrer wichtigsten Handelspartner. Nach Russland gehen beispielsweise 5 Prozent der in der Tschechischen Republik produzierten Waren. Vor allem die Automobilindustrie ist daran beteiligt. Experten befürchten schon jetzt einen Verlust von 30- bis 40 000 Arbeitsplätzen, sollte der große Nachbar im Osten mit Sanktionen belegt werden.

Der Wirtschaftsexperte der UniCredit Bank Prag, Pavel Sobisek, befürchtet einen Rückfall in die Rezession der vergangenen Jahre. »Die Auswirkungen von Wirtschaftssanktionen gegen Russland würden bei uns zu einem Wachstumsverlust von 0,5 Prozent führen«, erklärte Sobisek, damit wären alle Bemühungen der vergangenen zwei Jahre, die Wirtschaft zu konsolidieren, vergebens.

Auch tschechische Investoren, die sich in Russland engagiert haben, fürchten um ihre Gewinne wie überhaupt um ihr Eigentum. Otto Danek, Präsident der Vereinigung der Exporteure, sieht vor allem die Gefahr, dass im Falle ernsthafter Auseinandersetzungen zwischen den USA und der EU einerseits und Russland andererseits Moskau eine Verstaatlichung ausländischer Firmen anordnen könnte. »Wir haben 70 Milliarden Kronen (2,6 Milliarden Euro) in Russland investiert und könnten einen solchen Verlust nicht kompensieren«, erklärte Danek.

Grund genug, dass auch die Prager Politik skeptisch ist. Noch zu Monatsbeginn erklärte der sozialdemokratische Regierungschef Bohuslav Sobotka, seine Regierung werde unabhängig davon, wie die Entscheidung über die Krim und die Auseinandersetzungen in der Ukraine ausfallen, von sich aus keinen Boykott und keine Sanktionen gegen Moskau verhängen. Nur mit Skepsis und Zurückhaltung beuge man sich der EU-Solidarität. Tschechien, sagte Premier Sobotka, werde sich weiterhin für eine diplomatische Lösung des Konflikts um die Ukraine einsetzen.

Präsident Milos Zeman sprach sich zwar gegenüber dem Internetportal aktualne.cz für die schnellstmögliche Aufnahme der Ukraine in die EU aus, denn »das wäre die einzige Möglichkeit, die Ukraine zum gleichberechtigten Partner Russlands werden zu lassen«, doch forderte er die Führung in Kiew auf, sich von »faschistischen Extremisten« zu trennen und das Land zu föderalisieren. Was die Krim betrifft, sei sie nie ukrainisch gewesen.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal