nd-aktuell.de / 31.03.2014 / Sonntagsschuss / Seite 1

Fußball ist Un-Sinn

Woher kommt dann aber das Bedürfnis, diese Sportart ständig mit Dingen zu überfrachten, die ihr fremd sind?

Christoph Ruf

»Life is live«, sang die Ösi-Band Opus in den Tagen als uns hässliche Teenager-Pickel wuchsen, wir versuchten, beim Rauchen möglichst beiläufig dreinzublicken und nach dem ersten Bier mit dem ersten Mofa nicht gegen den ersten Baum zu fahren. Ob das Leben in Österreich schlicht das Leben ist, oder ob sich die Schelme bei »life«/»live« wirklich etwas gedacht haben, ist eigentlich ziemlich egal. Man muss nicht auf Krampf in so banale Dinge wie Chartbreaker etwas hineininterpretieren, da verhält es sich bei trivialen Tönen nicht anders als bei trivialen Bewegungen wie dem Treten eines Balles.

Natürlich liegt mir nichts ferner, als die Fertigkeiten eines Lionel Messi als banal zu bezeichnen, aber auch das muss man nicht krampfhaft aufpumpen. Der Mann beherrscht eben eine von vielen Sportarten sehr gut, mehr ist nicht zu vermelden. Woher kommt dann aber das Bedürfnis, die Sportart Fußball ständig mit Dingen zu überfrachten, die ihr fremd sind? Warum gibt es in jedem Buchladen stapelweise Kinderromane, in denen irgendwelche Ronnys oder Jonasse Dinge erleben, die 12-Jährige nun mal erleben, nur dass Ronny und Jonas eben auch zweimal die Woche Terz mit dem Trainer haben, oder dem Mittelstürmer von ihrer neuen Eroberung auf dem Pausenhof berichten müssen. Müssen die armen Kinder vorher unbedingt lesen, wie Jonas einem Ball hinterherhechelt und beim nächsten Frühstück Nutella verweigert? Geht`s eigentlich noch langweiliger? Okay, ein paar Zentimeter weiter liegen die Pferde-Romane ... Und überhaupt: Hauptsache, die jungen Leute lesen überhaupt noch irgendwas, vom ständigen »krass« und »übelst«-Sagen wird man halt auch nicht eloquenter.

Aber warum genügt es Erwachsenen nicht, sich samstags eine x-beliebige Bundesliga-Begegnung anzuschauen und danach über das Spiel zu reden? Das gibt doch weiß Gott genügend interessante Themen her, wenn man sich mal ein wenig mit den Dingen befasst, die die Schlaumeier unter den Trainern »fußballspezifisch« nennen. Aber nein, es muss Kolloquien, Messen, Vorträge geben, in denen fraglos ausgesprochen kluge Leute mit dem Schweiße der Verzweiflung auf der Stirn Sinn in das Ball-Getrete hineinpressen.

Jede Wette, dass keine Sentenz und kein Roman von Albert Camus so bekannt ist wie die Aussage, er habe alles, was er über »Moral und Verpflichtungen« gelernt habe, »vom Fußball gelernt«. Die armen Geschäftspartner des Mannes ... und dennoch gibt es auch anno 2014 ernstzunehmende Menschen, die mit Tränen der Rührung in den Augen ebendiesen Spruch zitieren. Es sind oft die gleichen, die ein Dutzend-Erlebnis aus den Interviewzonen deutscher Stadien auch noch Jahre später mit Märchenonkel-Blick vortragen und danach andächtig die Mutter aller Sprüche zum Besten geben: »Solche Geschichten schreibt nur der Fußball!« Wohl wahr. Und deshalb sollte man sie tunlichst für sich behalten.