Von brennenden Plakaten und schmutziger Wäsche

Lübecks LINKE zerlegt sich selbst - landesweite Folgen drohen

  • Dieter Hanisch, Kiel
  • Lesedauer: 4 Min.
Seit Monaten gibt es ernsten Streit im Lübecker Kreisverband der LINKEN, immerhin der zweitgrößte in Schleswig-Holstein. Nun könnte sich der Konflikt auf die Landespartei ausweiten.

Rund 140 Lübecker LINKE sind in Aufruhr: Der seit Monaten schwelende Konflikt im Lübecker Kreisverband um die Verbrennung eines Wahlplakates eskaliert. Jetzt drohen gar landesweite Folgen für die Partei. Längst reicht es nicht mehr, an die Vernunft zu appellieren - die unterschiedlichen Positionen sind zementiert. Selbst die Justiz war und ist involviert.

Der Ursprung der Querelen liegt fast ein Jahr zurück. Im Kommunalwahlkampf eignen sich Lübecker Aktivisten der LINKEN ein Plakat der gleichfalls kandidierenden Wählergruppierung Freie Unabhängige Lübecker (FUL) an. Dem Diebstahl folgt das Anzünden der vier Euro teuren Pappe, was von Funktionären der LINKEN fotografisch festgehalten und über soziale Medien verbreitet wird. In einem Land, in dem Bücher verbrannt wurden, ist die Aktion kaum zu entschuldigen. Die Tat wird öffentlich und ist seitdem Gegenstand eines parteiinternen Konflikts.

Der Kreisverband in Lübeck, der zweitgrößte in Schleswig-Holstein, ist auch die Heimat des Landessprechers Jens Schulz, der keinerlei Verständnis für das Geschehene aufbringt. Mit 13 anderen Mitgliedern bemüht er sich seit einigen Wochen um eine schnellstmögliche außerordentliche Parteisitzung, auf der der Umgang mit der unsäglichen Aktion noch einmal auf die Tagesordnung soll. Immerhin stecken mit dem Kreisvorsitzenden Sascha Luetkens und dem Schatzmeister Ragnar Lüttke zwei Vorstandsmitglieder hinter der Sache. Letzterer ist zugleich Bürgerschaftsmitglied. Auf einer Mitgliedersitzung im Juni des Vorjahres wurden die Verantwortlichen bereits für ihr Handeln getadelt. Es blieb bei einer mehrheitlichen Missbilligung des Vorgangs. Für Rücktrittsforderungen fand sich seinerzeit keine Mehrheit.

Zwei Kreisvorstandsmitglieder halten der jetzigen Lübecker Parteispitze inzwischen vor, nicht mehr in alle Informationsverbreitungsprozesse eingebunden zu sein. Zudem wurde der Vorwurf erhoben, dass ein Aufruf für die Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederzusammenkunft nicht wunschgemäß an alle Lübecker Parteimitglieder verschickt wurde. Als nun ein Mitglied offenbar überführt wurde, wie es persönliche Mitgliederdaten aus dem Rechner des Parteibüros heruntergeladen hat, folgte eine Strafanzeige.

Die neben Luetkens seit Ende 2013 als Doppelspitze agierende Katjana Zunft möchte die internen Querelen hinten anstellen und die volle Konzentration dem Wahlkampf für die Europawahlen widmen. Auf einem regulären Parteitag im Sommer will sie per Antrag einen Schlussstrich unter die Affäre ziehen. Für sie steht fest, dass es bei der Aktion im Vorjahr gar nicht vorrangig um das brennende Plakat ging, sondern um einen ehemals im Streit von den LINKEN geschiedenen und dann zur FUL gewechselten, inzwischen parteilosen Lokalpolitiker. Und sie vermutet, dass es bei den derzeitigen Streitereien innerhalb der LINKEN ebenfalls um persönliche Rechnungen geht.

Zunft machte die Querelen mit einer Pressemitteilung und der Aufforderung, schmutzige Wäsche doch bitte nur in der Waschmaschine zu waschen, öffentlich. Nach eigenen Worten geht es ihr um das Parteiwohl und nicht um einzelne Köpfe. Sie regt Gespräche am runden Tisch an. Strafrechtlich ist der Plakatvorfall abgeschlossen. Lüttke akzeptierte einen Strafbefehl in Höhe von 500 Euro, gegen Luetkens wurde das Verfahren gegen Zahlung von 300 Euro eingestellt.

Derweil geht ein Riss durch den siebenköpfigen Kreisvorstand. Noch prekärer ist die Situation in der zweiköpfigen Linksfraktion im Lübecker Rathaus. Die Bürgerschaftsabgeordnete Antje Jansen gesellt sich zum Lager um Landessprecher Jens Schulz, das den Rückzug von Luetkens und Lüttke von allen Parteifunktionen und -ämtern und fordert. Der zweite Abgeordnete ist Lüttke, und der lehnt einen Rücktritt ab. Die frühere Grüne Jansen behält sich persönliche Konsequenzen vor. Doch die Sache ist schwierig: Würde sie die Partei verlassen, das Mandat aber mitnehmen, gäbe es keine Linksfraktion mehr, und damit würden auch drei Fraktionsarbeitsplätze wegfallen.

Da Landessprecher Schulz eine aktive Rolle im Lübecker Konflikt spielt, erreicht die Auseinandersetzung an der Trave nun auch die schleswig-holsteinische Parteispitze. Von der gab es bislang keine Positionierung, geschweige denn eine Stellungnahme. Das Gremium kommt am Sonntag zusammen, um das Geschehen zu diskutieren und zu bewerten.

Heraushalten kann sich die Landespartei auch deshalb nicht, weil die Landesschiedskommission bereits involviert ist. Und der Vorgang wird auch die Bundesschiedskommission der LINKEN in Berlin beschäftigen. Denn die jüngste Wahl Luetkens zum Kreisvorsitzenden wurde durch die Landesschiedskommission angefochten und die Sache geht in die nächste Instanz. Anträge auf Parteiausschluss dürften folgen.

Lübecker Verantwortliche und Schulz als Landessprecher überschütten sich derweil in der Angelegenheit gegenseitig mit Vorwürfen, wer der Partei durch welches Agieren Schaden zufügt. Eigentlich ist es Zeit für Mediation und Therapie, doch eine solch große Couch für so viele Beteiligte dürfte nur schwer zu finden sein. Eines ist sicher: Bei so einem Streit gibt es am Ende nur Verlierer!

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