Was wird aus dem CSD?

Querelen um den Christopher Street Day dauern an

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.
Vier verschiedene Christopher Street Day-Demonstrationen könnte es dieses Jahr geben. Der Streit um die Hauptveranstaltung geht zudem weiter.

»Wie wäre es mit einem Sternmarsch«, schlägt Dominique angesichts der seit Monaten andauernden Querelen rund um die Ausrichtung des diesjährigen Christopher Street Days (CSD) am 21. Juni vor. Seit vielen Jahren beteiligt sich die Nachtclubbetreiberin mit einem Wagen an der Großveranstaltung mit mehreren hunderttausend Besuchern.

Bis zu vier verschiedene CSD-Demonstrationen könnte es dieser Jahr werden. Neben dem klassischen und dem Kreuzberger transgenialen CSD (tCSD) hat ein neu gegründetes »Aktionsbündnis CSD Berlin 2014« eine Demonstration angemeldet. Diese soll vor der ugandischen Botschaft beginnen und über weitere Stationen, wie unter anderem die baden-württembergische Landesvertretung, zum Lützowplatz führen. Und auch beim tCSD gibt es Spaltungstendenzen, die eine Aufteilung in zwei verschiedene Züge zur Folge haben könnten.

Bei der von der Communityzeitschrift Siegessäule veranstalteten Podiumsdiskussion »Quo Vadis CSD?« am Dienstag ging es jedoch um den großen Berliner CSD. Der Verein CSD e.V. hat viel Unmut auf sich gezogen, als er handstreichartig den Namen in Stonewall abänderte und noch weitere vorher nicht breit diskutierte Änderungen vornahm.

Der neue Name sollte den »Neuaufbruch bemarken«, sagt Reinhard Thole vom Verein. Neben einer Politisierung der Veranstaltung wolle man den Verein »langfristig auf finanziell sichere Beine« stellen. Deswegen wurde auch Markenschutz für »Stonewall« beantragt. Thole beklagt, dass queere Magazine zum CSD zum Teil Sonderbeilagen mit doppelten Anzeigenpreisen produzierten, sich aber nicht an der Finanzierung der Parade beteiligten. Wie bei anderen Aktionen des Vereins hat man den Eindruck, dass das Agieren auch sehr marketinggetrieben zu sein scheint. Ute Hiller von der Berliner Aids-Hilfe (BAH) beklagt, dass diese Neuausrichtung »in einer Stunde innerhalb von vier Anträgen« durchgezogen wurde. »Ich glaube, wir haben laut und deutlich gesagt, dass wir Bedenkzeit brauchen.« Sie beschleiche das »Gefühl einer gewissen Beratungsresistenz«. Eine Folge dessen ist, dass die BAH aus dem CSD e.V. ausgetreten ist.

Wiebke Oschmann von der LAG Queer Berlin-Brandenburg der LINKEN gehört zu den Mitgliedern des Aktionsbündnisses, die den Zug ab der Botschaft Ugandas planen. Dies tun sie ausdrücklich als Einzelpersonen und expressiv verbis nicht, um sich am CSD-Verein »abzuarbeiten«. Dementsprechend überreichte sie Reinhard Thole auch einen frisch ausgefüllten Antrag auf Mitgliedschaft.

Der Berliner Lesben- und Schwulenverband (LSVD) hingegen hat die Löschung der Marke Stonewall beantragt. »Das ist eine Konstruktion, mit der wir nicht einverstanden sind«, begründet das Jörg Steinert, Geschäftsführer und Pressesprecher des Verbandes. Bis heute habe der Vorstand keine außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen, obwohl viele Fragen zu klären wären.

»Wenn man Fehler macht, muss man auch zu Fehlern stehen«, sagt Abgeordnetenhausmitglied Tom Schreiber (SPD). Dieses Verhalten vermisst der Politiker bei den Vertretern des CSD e.V. Doch klare Entschuldigungen kommen weder Reinhard Thole noch CSD-Geschäftsführer Robert Kastl über die Lippen. »Das hat nicht funktioniert, das würden wir heute anders machen«, ist schon das Höchste der Gefühle. »Das ist wie so eine Therapie, wie so eine Verhaltenstherapie hier«, sagt Schreiber über die Diskussion. »Sachen, die in dem CSD-Forum besprochen werden sollten nicht nur protokolliert, sondern auch ernstgenommen werden«, fordert er.

»Die Uneinigkeit ist scheiße in der Außenwirkung. Das ist doch Selbstmord«, appelliert Dominique. Doch Gräben wurden an diesem Abend sicher nicht zugeschüttet.

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