Bitte keine Gespräche mit »interessanten Gesprächspartnern« mehr!

Roberto De Lapuente über den Hang mancher Medien, rechten Populisten eine Bühne zu bieten

  • Roberto De Lapuente
  • Lesedauer: 4 Min.
Vor einiger Zeit ist mir Timur Vermes' »Er ist wieder da« zwischen die Finger geraten. Das Buch ist streckenweise wirklich schaurig. Aber weniger wegen dieses zurückgekehrten Hitlers. Diejenigen, auf die er trifft, und die wie ganz normale Medienleute beschrieben sind, machen den Roman so gespenstisch. Denn sie lehnen den Fliegenschissbart nicht ab, sondern finden ihn einfach nur »originell« und »entlarvend«; geben vor, es mit einem »interessanten Gesprächspartner« zu tun zu haben. Eine lausbübische Freude befällt sie, wenn sie ihn zu »krassen« Statements bewegen können. Und ganz so falsch liegt er ja nicht mit seinen Ansichten, dieser »spannende Zeitgenosse«, sagen sie dann so, als habe er in seinen Tiraden irgendeine profunde Wahrheit versteckt.
Nun ist Akif Pirinçci selbstverständlich kein Hitler. Der deutsche Schriftsteller mit türkischen Wurzeln sieht ihm nicht mal ähnlich. Und seine Rhetorik klingt auch viel vulgärer. Ein bisschen nach Gosse, die er sich künstlich angeeignet hat. Kritiker werfen Pirinçci, der mit seinem Buch »Deutschland von Sinnen. Der irre Kult um Frauen, Homosexuelle und Zuwanderer« für Aufsehen und Empörung ganz in der Tradition von Thilo Sarrazin sorgt, nichts weniger als Homophobie und Agitation an der Grenze zur Volksvehetzung vor.
Aber so wie im Roman mit dem »Er ist wieder da«-Hitler gehen einige Medien nun auch mit Pirinçci um. Bei Sarrazin war es vor einigen Jahren genauso. Man nennt die kruden und menschenverachtenden Thesen flugs »interessant« und rechtfertigt so, diesen Trommlern ein öffentliches Forum gegeben zu haben. So wird aus einem rechten Propagandisten Teil des Bildungsauftrags.
In Vermes' Roman glauben die Medienleute, dass dieser »Comedian, der aussieht wie der echte Hitler«, das Gegenteil dessen bewirkt, was er eigentlich beabsichtigt. Der rattert ja wie eh und je seine Menschenverachtung herunter. Und das ganz ernst, ohne nur ansatzweise komödiantisch sein zu wollen. »Das entlarvt doch am besten«, rechtfertigen die Medien, die mit ihm Quote machen wollen, ihre Entscheidung, dem Mann eine Plattform zu bieten. Sie glauben damit dem Bildungsauftrag gerecht zu werden. Nur entlarvt dieser Zurückgekehrte gar nichts, sondern erntet viel mehr anerkennenden Applaus. Nicht nur von Neonazis, sondern auch von Leuten aus der gesellschaftlichen Mitte. Entweder lachen sie über ihn oder pflichten ihm bei: »Ham wa erst mal wieder nen Führer gebraucht, damit det endlich einer laut sagt!«
Der Schriftsteller zeigt ganz gut, dass ein öffentlich gewährtes Forum niemanden als intellektuelles Nullsummenspiel entlarvt, sondern ihm ganz im Gegenteil den »Eindruck von Seriosität« auch dann verleiht, wenn er noch so radikale Entblößungen vollzieht. Er mag nicht alle erreichen, aber doch die Brüder und Schwestern und die Cousins und Cousinen im Geiste, die ihn ohne die ihm gewährte Öffentlichkeit eventuell nie wahrgenommen hätten. Pirinçci erreicht mit seinem fäkalisierten Duktus auch nicht die Mitte der Gesellschaft. Nur werden sich auch dort »anständige Bürger« finden, die meinen, dass der Typ zwar irgendwie durchgeknallt sei, aber nicht ganz falsch tickt. Was Verwertbares zur Fütterung der »Ressentiments der Zeit« bleibt immer hängen.
Interviews machen solche Trommler zitierfähiger als die Bücher, die sie geschrieben haben. Wer hat »Deutschland schafft sich ab« von Sarrazin bitteschön gelesen? Aber was er gesagt hat, das bleibt im Kopf. Denn was so ein »Outsider« an »Thesen« in komprimierter Form vorbringt, das wollen alle lesen.
Es ist ja ganz und gar nicht so, dass das ZDF und der »Focus« Pirinçcis Ansichten irgendwie teilen würden. Aber spannend finden sie ihn, weil er Dinge sagt, die kein normal sozialisierter Mensch je sagen würde. Mit Aufklärung durch Selbstentlarvung hat das alles aber gar nichts zu tun. Dergleichen funktioniert nicht. Öffentliche Plattform ist öffentliche Plattform. Und auch wenn sich da jemand unmöglich benimmt, findet er immer weitere Anhänger, Anerkennung und ein bisschen was von der Aura eines soliden Gesprächspartners. Wer mit der Neuen Rechten spricht, der macht sie ungewollt glaubwürdiger. Wer seinem Bildungsauftrag erfüllen will, berichtet über sie, aber spricht nicht mit ihr. Denn das Gespräch ist ein Ritterschlag für diese Misanthropen.
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