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Countdown für Ferienwohnungen

Zweckentfremdung von Wohnraum wird verboten / Kontrollpersonal dafür fehlt noch

  • Bernd Kammer
  • Lesedauer: 3 Min.
Am 1. Mai tritt das Gesetz in Kraft, das die Zweckentfremdung von Wohnraum verbietet. Wie es funktionieren soll, ist in den Bezirken noch unklar.

Im letzten Moment hatte Finanzsenator Ulrich Nußbaum (für SPD) ein Einsehen: In der vergangenen Woche genehmigte er den Bezirken weitere 17 Stellen, um das Verbot von Ferienwohnungen durchzusetzen. Damit können dort nun insgesamt 34 Mitarbeiter gegen die Zweckentfremdung von Wohnraum vorgehen. Um die zusätzlichen Kräfte hatten die Bezirke lange gekämpft. Sie sollen aus dem Personalüberhang Berlins kommen und aus dem Landeshaushalt finanziert werden.

Nach Schätzungen gibt es etwa 12 000 Ferienwohnungen in Berlin, Tendenz steigend. Denn mit ihnen kann mehr Geld verdient werden als durch normale Vermietung. Das neue Gesetz soll aber nicht nur diesen Missbrauch von Wohnraum eindämmen, sondern auch seine Fremdnutzung als Anwaltskanzlei, Arztpraxis oder Physiotherapie. Auch Leerstand oder Abriss von Wohnungen ist nur noch in Ausnahmen möglich. Angesichts der angespannten Situation in Berlin sollen «Wohnungen auch tatsächlich zum Wohnen zur Verfügung stehen», sagt Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD).

Durchsetzen müssen das die Bezirke. Doch für die bedeutet auch die Personalaufstockung «gerade das Mindestmaß dessen, was notwendig ist», sagt Reinickendorfs Bezirksstadtrat für Bürgerdienste Uwe Brockhausen (SPD). «Als Bedarf hatten wir vier neue Stellen ermittelt, jetzt bekommen wir zwei.» Ähnlich sieht das auch in den anderen Bezirken aus. Pankow erhält vier neue Mitarbeiter, aber auch das werde laut Stadtrat Torsten Kühne (CDU) nicht ausreichen, «denn die werden ja auch mal krank, gehen in Urlaub oder müssen sich mit komplizierten Rechtsfragen beschäftigen». In Lichtenberg werden sich zwei Mitarbeiter mit dem Problem beschäftigen. Vor 2002, als das damals bestehende Zweckentfremdungsverbot gekippt wurde, waren es 15«, erinnert sich Stadtrat Andreas Prüfer (LINKE).

Die knappe Personalausstattung ist das eine Problem, das andere: »Die Leute sind überhaupt noch nicht an Bord«, kritisiert Mittes Stadtrat Stephan von Dassel (Grüne). »Die Zusage über die zusätzlichen Stellen hätte ich gern im Dezember gehabt und nicht erst vergangene Woche.« Überhaupt habe der Senat die Umsetzung des Gesetzes schlecht vorbereitet, die Bezirke auch nicht verständigt, wie das Gesetz auszulegen ist.

Von Dassel hofft, dass in Mitte Ende Mai alle vier Stellen besetzt sein werden. In anderen Bezirken wird es noch länger dauern. Aber gerade in der Anfangsphase gibt es viel Arbeit. Die Betreiber von Ferienwohnungen müssen diese innerhalb von drei Monaten melden, dann gilt für sie eine Übergangsfrist von zwei Jahren, bis die Nutzung verboten werden kann. »Bei mindestens 4500 Wohnungen allein in unserem Bezirk bedeutet dies, dass alle sechseinhalb Minuten eine solche Anzeige eingeht«, hat von Dassel ausgerechnet. »Eine zeitnahe Bearbeitung ist da nicht zu schaffen«.

Der Stadtrat hat deshalb vorgeschlagen, die Kräfte aller Bezirke zu bündeln. Eine solche Spezialtruppe sei die einzige Möglichkeiten, um auch unterschiedliche Kompetenzen wie etwa Juristen auf die Überprüfung der Zweckentfremdung anzusetzen. Nächste Woche soll es dazu ein Gespräch beim Senat geben. »Wenn jeder Bezirk nur zwei bis vier Leuten einsetzen kann, wäre das nicht mehr als ein Notdienst.«

Beim Berliner Mieterverein hat man für die Personalprobleme wenig Verständnis. »Die Bezirke müssen ja gar nicht prüfen, ob es gute oder schlechte Ferienwohnungen sind, sie sollen sie einfach nur verbieten«, sagt Geschäftsführer Reiner Wild. Und wichtigste Mitarbeiter seien ohnehin die Mieter. »Die werden die Verstöße anzeigen, das war schon vor 2002 so.« Der Mieterverein veröffentlicht dazu ab Donnerstag eine Musteranzeige auf seiner Internetseite.

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