Auf der Jagd nach neuen Aromen

Karl Röske aus Heilbronn ist in abgelegenen Regionen als Foodhunter unterwegs. Von Heidi Diehl

  • Heidi Diehl
  • Lesedauer: 8 Min.
Karl Röske während des Seminars.
Karl Röske während des Seminars.

Wenn jemand zu Karl Röske sagt, er möge dorthin gehen, wo der Pfeffer wächst, dann ist der 48-Jährige alles andere als beleidigt. Im Gegenteil! Der Heilbronner packt seine sieben Sachen und macht sich auf den Weg. Der führt ihn zumeist in Regionen, in die nur wenige Menschen je ihren Fuß setzen werden - in den Regenwald am Amazonas oder in total abgelegene Gebiete Asiens. Manchmal hat er auf dem Heimweg dann tatsächlich eine Pfeffersorte im Gepäck - wie die Zimt-Pfeffer-Blüte des Ishpingobaumes. Die brachte Karl Röske von den Waoranis mit, einer indigenen Volksgruppe, die im ecuadorianischen Regenwald fernab jeglicher Zivilisation lebt.

Karl Röske ist Foodhunter, neben dem Amerikaner Mark Brownstein weltweit der einzige »Essensjäger«, der im Auftrag von Köchen oder Chocolatiers durch die Welt zieht, um unbekannte Früchte, Gewürze und andere exotische Genussmittel zu finden. Manchmal landet er dabei einen Volltreffer, wie beim Ishpingo. »Ich hatte das große Glück, von den Waoranis wie ein Familienmitglied aufgenommen zu werden. Monatelang durfte ich in ihrer Gemeinschaft leben, an ihren Ritualen teilnehmen und ihre Essgewohnheiten kennenlernen«, erzählt er. »Sie verwendeten auch ein Gewürz, das mich sofort begeisterte. Es schmeckte nach Zimt, etwas Banane und Schokolade sowie leicht pfeffrig. Eines Tages nahm mich ein Stammesmitglied mit in den Dschungel und zeigte mir, wo es wächst: auf dem seltenen riesigen Ishpingobaum, der nur in den Regenwäldern Ecuadors und Kolumbiens vorkommt. Als Würzmittel verwendet man die verholzte Blüte, die wie eine Muskatnuss gerieben wird. Sie passt zu Fisch und Fleisch genauso wie zu Süßspeisen«, erzählt Karl Röske. »Die Waoranis nutzen sie seit Jahrhunderten nicht nur ihres besonderen Geschmacks wegen, sondern auch als entzündungshemmende und blutreinigende Medizin.«

Spitzenköche in Deutschland, wie Alfons Schubeck oder Johann Lafer, sind begeistert von solchen Entdeckungen, die ihre Küche bereichern und den Gästen zu neuen Geschmackserlebnissen verhelfen.

Der Job als Foodhunter ist sicher nicht jedermanns Sache. Denn man muss schon einiges mitbringen: Neugierde, einen guten Magen, einen feinen Geschmackssinn, Fantasie, Unerschrockenheit und eine gehörige Portion Abenteuerlust. Karl Röske wurde all das gewissermaßen in die Wiege gelegt. Der Sohn einer Griechin und eines Deutschen verbrachte seine Kindheit oft bei seiner Oma auf Kreta, einer Kräuterfrau. Von ihr lernte Karl, wofür wilder Thymian, Oregano und Co. gut sind und dass gegen jedes Wehwehchen ein Kraut gewachsen ist. Man muss es nur finden. »Großmutter war immer auf der Suche danach, ein Leben lang setzte sie auf die Kräfte der Natur, erst mit 92 schluckte sie ihre erste Tablette«, erzählt der Foodhunter. Bei ihm allerdings dauerte die Erkenntnis ein wenig länger, jahrelang arbeitete er als Laborant in der Pharmaindustrie, untersuchte die Wirksamkeit von Medikamenten und Nahrungsergänzungsmitteln. Doch die Zweifel an seiner Arbeit wuchsen, »irgendwann konnte ich es nicht mehr mit meinem Gewissen vereinbaren, sagt der 48-Jährige. «Ich stieg aus, kehrte zurück zu meinen Wurzeln und begann, das Öl von den jahrhundertealten Olivenbäumen meiner Familie zu verkaufen. So lernte er viele Köche kennen, die ihn bald schon fragten, ob er nicht dieses oder jenes seltene Lebensmittel oder Gewürz besorgen könne. »Das reizte mich, und so stürzte ich mich vor neun Jahren ziemlich blauäugig in das Abenteuer.« Er reiste einfach nach Indonesien, um hierzulande unbekannte Delikatessen zu finden - und hat für seine Blauäugigkeit viel Lehrgeld zahlen müssen. »Oftmals wurde ich übers Ohr gehauen, habe eine Menge Geld für vermeintlich großartige Produkte ausgegeben, die letztlich bei den Köchen durchfielen oder schon verdorben waren, als ich wieder in Deutschland ankam.« Was für ihn ein finanzielles Desaster darstellte, denn Röske finanziert all seine Reisen selbst, erst, wenn er etwas von seinen »Mitbringseln« verkaufen kann, verdient er.

Längst schon fährt er nicht mehr einfach drauflos, sondern bereitet jede Reise akribisch vor. In vielen Ländern hat er inzwischen ein Netz von zuverlässigen Informanten, die ihm vorab Tipps über möglicherweise interessante Produkte geben. Vor Ort nimmt er sich kundige Führer, mit deren Hilfe er versucht, die »Wunschliste« seiner potenziellen Kunden abzuarbeiten. Rund sechs Mal im Jahr packt der Foodhunter die Koffer, um sich auf die Suche nach Neuem zu machen. Das findet er am ehesten auf regionalen Märkten in wenig zugänglichen Gebieten. Dafür nimmt Karl Röske abenteuerliche Anreisen in klapprigen Fahrzeugen oder zu Fuß auf sich. Doch wenn er am Ende fündig wird, ist ihm das jede Strapaze wert. Tapfer probiert er fast alles, was man ihm anbietet, empfindlich darf er dabei nicht sein. Wenn auch vieles vor seinen Geschmacksnerven keine Gnade findet, manchmal landet er einen Glückstreffer.

Wie mit der Guanabana, einer kiloschweren stacheligen Frucht, die Röske erstmals in Ecuador probierte. Ihr weißes Fleisch schmeckt nicht nur sehr aromatisch und lässt sich gut zu Süßspeisen verarbeiten, sondern wird von Naturvölkern auch seit Jahrhunderten erfolgreich als natürliches Medikament bei Pilz- und Bakterieninfektionen wie auch zur Bekämpfung von inneren Parasiten und hohem Blutdruck eingesetzt. Die Guanabana, die auch Stachelannone, Soursop oder Graviola genannt wird, hat indes noch weitere gesundheitsfördernde Eigenschaften, wie 2011 und 2012 veröffentlichte Forschungsergebnisse des US-amerikanischen National Cancer Institutes belegen: Frucht wie auch Blätter und Stängel können das Wachstum bestimmter Brustkrebs- und Bauchspeicheldrüsenkrebszellen hemmen und zum Teil sogar zerstören. Labortests sollen überdies ergeben haben, dass die Guanabana 10 000 Mal wirksamer ist als starke Chemotherapeutika und 100 Mal effektiver als eine Chemotherapie. »Dass die Pharmaindustrie aus Angst um ihre Gewinne davon nichts wissen will, verwundert sicher niemanden«, sagt Karl Röske. Auch deshalb lässt er keine Gelegenheit aus, über die Wunderfrucht zu reden und sie seinen Kunden anzubieten. Die greifen gern zu, schon des Geschmacks wegen.

Den lernten kürzlich auch Teilnehmer eines Seminars in der »Spreewälder Kräutermanufaktur« in Burg kennen. Spreewaldkoch Peter Franke, der dort seit Jahren mit Einheimischen und Touristen regionale Wildkräuter und Produkte zu köstlichen Gerichten verarbeitet, hatte Karl Röske zufällig kennengelernt und eingeladen. Einen Samstag lang erzählte der Foodhunter aus seinem abenteuerlichen Leben und nahm die Seminarteilnehmer mit auf eine kulinarische Entdeckungsreise. Viele Schalen mit farbenfrohen Gewürzen machten die Runde, es wurde geschnuppert, probiert und nicht selten gestaunt. Zum Beispiel darüber, dass allein in mehr als einem Dutzend von ihnen Pfeffer lag - roter, schwarzer, grüner, gelber, runder, länglicher, wie ein kleiner Zapfen aussehend oder wie ein winziger verschrumpelter Kapernapfel. Wie die Optik überraschte der Geschmack - von typisch pfeffrig über bitter bis zu deutlich zitronig. Weltweit soll es mehr als 25 unterschiedliche Pfeffersorten geben, erfuhren die Gäste.

Und dann konnten sie am eigenen Leibe erleben, dass Röskes Job manchmal auch bedeutet: Ekel zu unterdrücken oder Vorurteile mutig über den Haufen zu werfen. Der Foodhunter hatte nämlich ein paar besondere Exoten dabei. Wie die Durian, von der einige lediglich wussten, dass sie im Deutschen Stinkfrucht genannt wird. Warum, wurde ihnen schlagartig klar, als Karl Röske das stachelige Teil anschnitt: Ein durchdringender Gestank durchzog den Raum. Einige hielten sich nur die Nase zu, andere würgten bereits, die Mutprobe aber stand ihnen noch bevor - probieren! Doch wie erstaunt waren sie über die unappetitliche matschige Konsistenz im Mund: Sie schmeckte angenehm fruchtig, leicht säuerlich und kein bisschen wie das, was der Geruch vermuten ließ. Weniger skeptisch waren alle, als es ans gemeinsame Kochen raffiniert gewürzter exotischer Gerichte mit mehr oder weniger bekannten Grundzutaten ging. Die Creme Brulee mit Guanabana war so köstlich, dass einige sogar ihre gute Kinderstube vergaßen und die Schälchen ausleckten.

Karl Röske und Peter Franke wollen in diesem Jahr zusammen mit einem regionalen Agrarbetrieb und Unterstützung der japanischen Botschaft ein Experiment wagen und erstmals in Europa Wasabi, die höllisch scharfe Gewürzpflanze aus Japan im Spreewald anbauen. Die Region bietet beste Bedingungen für das Wachstum - idealen Boden und vor allem viel Wasser. Wenn alles gut geht, wird schon im Herbst echter Wasabi aus dem Spreewald die Küchen bereichern. Viele Köche haben ihr Interesse bereits angemeldet, denn die grüne Paste, die hierzulande verkauft wird, hat mit echtem Wasabi nichts zu tun, sondern ist nichts anderes als grün eingefärbter Meerrettich mit verschärfenden Zusatzstoffen.

Infos:

  • www.diebiotheke.com - hier findet man nicht nur Infos über Karl Röske, sondern auch einen Onlineshop, in dem es viele zum Teil unbekannte exotische Gewürze und Früchte gibt
  • www.guanabanapro.de - Infos rund um die Heilkraft des Guanabanabaumes und seiner Früchte
  • Spreewälder Kräutermanufaktur:
  • www.spreewald-kraeutermanufaktur.de - umfangreiche Informationen rund um heimische Kräuter und zu Veranstaltungen
  • Das nächste exotische Seminar mit Foodhunter Karl Röske und Spreewaldwirt Peter Franke findet vom 22. bis 24. August 2014 in der Spreewälder Kräutermanufaktur in Burg statt. Infos und Anmeldungen unter Tel.: (035603) 660 oder
  • E-Mail: info@spreewald-kraeutermanufaktur.de

Schnupperkurs an Pangnamblättern, die wie Basmatireis riechen und später beim gemeinsamen Kochen verarbeitet wurden.
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