nd-aktuell.de / 10.05.2014 / Kommentare / Seite 3

Schmutzige Tricks der Schlapphüte

Ingo Niebel über die Zusammenarbeit deutscher und US-amerikanischer Geheimdienste und den NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages.

Ingo Niebel

Der Bürgerrechtler Rolf Gössner hat am 23. April in »neues deutschland« die Erwartungen an den Untersuchungsausschuss des Bundestages zur NSA-Spionage auf das mögliche Normalmaß zurückgestutzt. Dieser könne bestenfalls »mehr Licht ins Dunkel geheimdienstlicher Machenschaften, in Aktivitäten und Verflechtungen ausländischer und deutscher Geheimdienste« bringen, schreibt er. Darüber hinaus fordert Gössner richtigerweise, die Massenüberwachung zu beenden, demokratiewidrige Geheimdienste zu entmachten und Asyl für den Whistleblower Edward Snowden zu gewähren.

Letzteres dürfte nicht nur am fehlenden Willen im Bundeskanzleramt und an der im Koalitionsvertrag postulierten Vertiefung der transatlantischen Beziehungen scheitern, sondern auch an Sicherheitsbedenken. Wer kann hier für Snowdens Unversehrtheit garantieren? Dazu gehört nicht nur, ihn vor Auslieferung an die USA zu schützen, sondern auch vor einer Entführung. Dass diese Option im Raum steht, ergibt sich aus dem geheimdienstlichen und geopolitischen Kontext, der den Ausschuss umfasst. Dessen Existenz leitet sich überhaupt erst aus der technischen Spionage ab, wie sie die NSA laut Snowden in Deutschland betrieben hat. Medien haben Vergleichbares über die CIA und private Unternehmen herausgefunden.

Um das Ausmaß der US-Informationsgewinnung zu erfassen, sei auf Depeschen von US-Diplomaten verwiesen, die Wikileaks veröffentlicht hat. Sie zeigen ansatzweise, worüber deutsche Politiker mit Vertretern aus den USA sprachen. Da weder die Medien nachhakten noch die Bundesanwaltschaft wegen des Verdachts auf Geheimnisverrat tätig wurde, scheint diese Art des Informationsaustausches legitim gewesen zu sein. Es bleibt aber die Frage, ob US-Stellen ihre deutschen »Partner« nur abschöpf(t)en oder ob sie diese Verbindungen auch nutz(t)en, um politische Entscheidungen zu beeinflussen. Das wird die Politik zwar von sich weisen, schon um den Eindruck zu vermeiden, Deutschland sei eine Bananenrepublik. Aber nicht das Etikett steht zur Diskussion, sondern die Frage, mit welchen Mitteln Washington seine Interessen in Deutschland schützt und durchsetzt.

Bevor Geheimdienste ihre »dirty tricks« anwenden, bedarf es des »intelligence gathering«. Das angelsächsische Verständnis vom »Informationssammeln« durch Agenten und Diplomaten reicht je nach Bedarf vom Design einer Fahrkarte bis zu dem Versuch, Staatsgeheimnisse einzuholen. Irgendwo dazwischen liegt die Handykommunikation der Bundesregierung und anderer Zielpersonen sowie die Möglichkeit, über die sozialen Netze die Stimmung in der deutschen Bevölkerung bei Bedarf zu beeinflussen. Datenschutz, informationelle Selbstbestimmung, Recht und Moral spielen dabei keine Rolle.

NSA, CIA und Friends sind in der Bundesrepublik tätig, weil die US-Geopolitik die hiesigen Militäreinrichtungen benötigt, um Washingtons Interessen in Europa, Afrika und Asien zu wahren. Gerade erst hat die US-Army ihr Europa-Hauptquartier in Wiesbaden für über 500 Millionen Dollar ausgebaut. Herzstück ist das »Consolidated Intelligence Center«, das im Verdacht steht, eine Spionagestation der NSA zu sein. Aus geostrategischer Sicht der USA käme es einer Katastrophe, wenn nicht einer Kriegserklärung gleich, würde eine Bundesregierung die Militärs und Agenten des Landes verweisen. Das passiert gerade in Lateinamerika, wo Ecuador versucht, derart seine nationale Souveränität zu wahren. Das weiß Washington in der Bundesrepublik noch zu verhindern.

Da die deutschen Großkoalitionäre kein Interesse an dieser Debatte und deren Konsequenzen haben, könnten sie versuchen, den NSA-Untersuchungsausschuss auf technische Sicherheitsaspekte zu fokussieren. So würden Union und SPD das für sie leidige Thema nutzen, um das eigene Geheimdienstwesen weiter umzubauen. Mit am Tisch werden, wenn auch nicht offiziell, die Dienste aus Washington und London sitzen, deren Regierungen zumindest wissen wollen, was die Abgeordneten untersuchen, besprechen und entscheiden.