Die Wirtschaftskrise wegzaubern

In Italien bekommen Magier, Wahrsager und Hexen immer mehr Kunden

  • Anna Maldini
  • Lesedauer: 3 Min.
Während die Hoffnungslosigkeit bei den Italienern zunimmt, gibt es (neben dem Glücksspiel) zumindest einen Wirtschaftszweig, der sich im Aufschwung befindet: Magier, Kartenleger und alles Okkulte.

In Italien wächst der Geschäftszweig der Magier, Hellseher, Kartenleger und Hexen. Im letzten Jahr hatten sie ungefähr 13 Millionen Klienten, drei Millionen mehr als 2010. Offensichtlich besteht eine direkte Verbindung zwischen Wirtschaftskrise, Hoffnungslosigkeit und dem Wunsch, die eigene Lage durch »magische Kräfte« zu verbessern.

Wird mein Sohn bald eine Arbeit finden? Wird mir die Bank den Kredit gewähren? Was kann ich tun, damit meine Geschäfte wieder besser laufen? Welche Zahlen muss ich tippen, um im Lotto zu gewinnen? Das sind einige der Fragen und Probleme, mit denen sich Tag für Tag an die 30 000 Italiener an das Heer des Okkulten wenden. Frauen und Männer halten sich in etwa die Waage und die meisten Kunden sind zwischen 31 und 55 Jahre alt. Sie kommen aus allen Landesteilen, wobei den höchsten Anstieg der eigentlich wohlhabende Norden des Landes zu verzeichnen hatte, wo die Krise wahrscheinlich besonders viele Menschen verunsichert hat - während man im Süden seit Urzeiten gelernt hat, mit Unsicherheit und Prekariat umzugehen. Der Umsatz der Branche liegt bei 8,3 Milliarden Euro und ist im letzten Jahr um fast 20 Prozent gestiegen - die Steuerbehörde geht in den meisten Fällen leer aus, da praktisch das ganze okkulte Geschäft schwarz abläuft.

Die Welt der professionellen Magier hat sich allerdings verändert. Bis vor einigen Jahren wandte man sich an Kartenleger und »weise Frauen« aus der eigenen Umgebung, die ihre Kunden diskret zu Hause im Wohnzimmer empfingen. Dann begann die Zeit der anonymen Konsultationen über private Fernsehsender. Jetzt läuft ein Großteil des Geschäftes über das Internet. Gibt man in die Suchmaschine das Stichwort Kartenleger oder Magier ein, spuckt die über 300 000 Adressen aus. Viele werben mit niedrigen Kosten, hoher Spezialisierung, jahrelangen Erfolgen oder Schnupperleistungen. Fast immer wird eine teure Telefonnummer angegeben: Dort kann man erzählen, was man auf dem Herzen hat. Entweder zahlt der Kunde direkt über die hohen Telefonkosten, oder aber er überweist Geld - am besten per Kreditkarte - und wird dann erneut kontaktiert. Wenn die Verbindung erst einmal hergestellt ist, gibt es wieder verschiedene Strategien, um den Hilfebedürftigen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Entweder werden sie ermuntert, immer und immer wieder anzurufen, wobei sie jedes Mal nur relativ geringe Summen ausgeben. Oder aber der Anrufer wird als schwieriger Fall eingestuft, der eine ganz besonders aufwendige Beratung braucht, die natürlich auch dementsprechend kostet. Besonders viel Geld muss man hinblättern, wenn man eine Art schwarze Magie möchte - etwa, dass ein Rivale in der Liebe oder auch ein unliebsamer Konkurrent irgendwie aus dem Weg geräumt wird.

Ein ganz besonderer Markt sind Amulette und Talismane. Die kosten je nach Ausführung mindestens 50 Euro, wobei es nach oben praktisch keine Grenzen gibt. Gold ist natürlich teurer als Blech und Edelsteine sind teurer als irgendwelche buntschimmernden Steinchen. Die moderne und zeitgemäße Geschäftsidee sind Amulette, die man alle paar Wochen oder jeden Monat »aufladen« muss: Die positive Wirkung auf den Besitzer nimmt mit der Zeit ab und kann durch eine neue Geldüberweisung wieder verstärkt werden.

Kaum einer der betrogenen Kunden wendet sich an die Polizei oder an die Staatsanwaltschaft. Viele aber kontaktieren Verbraucherschutzorganisationen, um ihrem Unmut Luft zu machen. Wenn es dann aber darum geht, Vor- und Nachname anzugeben, schweigen sie.

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