Der letzte NSU-Raub vor Gericht

Hessen: Ausschuss soll Nazimord in Kassel aufklären

  • Lesedauer: 3 Min.
Zeugen berichteten im Münchener NSU-Prozess über den letzten Lebenstag von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt.

München. Das Oberlandesgericht München hat am Dienstag damit begonnen, den letzten Tag im Leben der beiden mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nachzuzeichnen. Als Zeugen waren Kunden und Angestellte einer Sparkassenfiliale in Eisenach geladen, die von den Männern am Morgen des 4. November 2011 überfallen wurden. Ein weiterer Zeuge schilderte, wie die beiden zu ihrem Wohnmobil flohen.

Die Männer seien schreiend und mit den Waffen wedelnd in die Filiale gestürmt. Ein Zeuge berichtete, er habe am Geldautomaten Bargeld ziehen wollen und sei von einem der Täter in den Hauptraum gezerrt worden. »Einer hatte eine Maske mit einem Geistergesicht auf, der andere eine Sturmhaube«, sagte eine der Angestellten. Der Filialleiter sei mit einer Waffe am Kopf bedroht und mit dem Pistolenlauf niedergeschlagen worden. Die Täter hätten Geld gewollt und seien mit dem Inhalt der Notkasse - 5000 bis 10 000 Euro - nicht zufrieden gewesen. Eine der Mitarbeiterinnen habe dann entschieden: »Es reicht! Wir gehen in den Tresor.« Dort hätten sie den Tätern sämtliche vorrätigen Scheine gegeben. Im Ganzen betrug die Beute fast 72 000 Euro. Eine der Angestellten hat die Erfahrung des Überfalls psychisch bis heute nicht verarbeitet. Sie habe die Sparkasse ein halbes Jahr später verlassen, sagte sie im Gericht.

Mundlos und Böhnhardt sollen nach dem Überfall mit ihren Fahrrädern geflohen sein. Ein weiterer Zeuge sagte, er habe sie gesehen, als er auf dem Weg zu einem Supermarkt gewesen sei. »Da waren zwei Radfahrer, die kamen förmlich angeflogen.« Sie seien zu einem Wohnmobil gefahren, das auf dem Parkplatz stand. Nachdem sie die Fahrräder eingeladen hatten, seien sie rasant abgefahren - »so schnell, dass die Vorderräder durchgedreht sind«. Das Wohnmobil war wenig später in Flammen aufgegangen. Polizisten fanden darin die Leichen der beiden Neonazis.

Parlamentarische Untersuchung in Hessen beschlossen

Unterdessen wird der NSU-Mord an einem türkischstämmigen Internetcafé-Besitzer im April 2006 in Kassel von einem parlamentarischen Ausschuss untersucht. Die SPD-Fraktion im Landtag beschloss am Dienstag einstimmig die Einsetzung des Gremiums. »Wir sehen keine andere Möglichkeit«, sagte Fraktionschef Thorsten Schäfer-Gümbel.

In den vergangenen Wochen war in Hessen ein überparteilicher Kompromiss zur Aufarbeitung der Anschläge gescheitert. Schwarz-Grün will von einer Expertenkommission Konsequenzen für die Arbeit von Polizei und Verfassungsschutz erarbeiten lassen. Die SPD verlangte dagegen außerdem ein Gremium, das Pannen und Widersprüche bei den damaligen Ermittlungen aufklären soll. Die Linkspartei fordert einen Untersuchungsausschuss.

Die Sozialdemokraten wollen am Donnerstag ihren Antrag im Landtag einbringen - aus inhaltlichen Gründen ohne die LINKEN. Die Partei hoffe aber weiter auf einen überparteilichen Konsens für die gemeinsame Einsetzung des Ausschusses, hieß es. Agenturen/nd

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