Pistorius wird doch nicht eingewiesen

Gericht ordnet ambulante Untersuchung an

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Pretoria. Er weinte, schluchzte, stammelte: Jammernd beteuerte Paralympics-Star Oscar Pistorius im Gericht immer wieder, wie sehr er seinen »tragischen Irrtum« bedauert. Er sei unschuldig des Mordes an seiner Freundin Reeva Steenkamp - als unzurechnungsfähig wollte das einstige Sportidol Südafrikas aber nicht gelten. Nun aber hat ihn die scheinbar besonders ausgebuffte Strategie seines eigenen Verteidigers in eine brisante Lage gebracht: Pistorius wird auf Antrag der Staatsanwaltschaft und Anordnung des Gerichts einen Monat lang intensiv psychiatrisch untersucht. Trotzdem droht ihm kein Klinikaufenthalt: Richterin Thokozile Masipa entschied am Dienstag in Pretoria überraschend, die Untersuchung werde ohne Einweisung stattfinden.

Der wegen Mordes angeklagte südafrikanische Sprintstar Oscar Pistorius wird somit ab kommender Woche bis zu 30 Tage lang ambulant psychiatrisch untersucht. Geklärt werden soll, ob der Angeklagte voll schuldfähig war, als er vor mehr als einem Jahr seine Freundin erschoss. Der Prozess wurde bis Ende Juni vertagt.

Pistorius muss ab kommendem Montag jeden Werktag von morgens bis 16.00 Uhr (Ortszeit) als »externer Patient« in die Weskoppies-Klinik in Pretoria kommen, wie Masipa anordnete. Drei Psychiater und ein Psychologe sollen den 33-jährigen Ausnahmesportler untersuchen und befragen. Am 30. Juni soll das Verfahren dann wieder aufgenommen werden. Nach der Entscheidung flüsterte Pistorius mit seinem älteren Bruder Carl und umarmte ihn fest.

Eine von der Verteidigung bestellte Psychiaterin hatte Pistorius eine »allgemeine Angststörung« attestiert. Sollte sich bei der klinischen Untersuchung erweisen, dass der Angeklagte nicht schuldfähig ist, könnte das Verfahren eingestellt werden. Auch eine eingeschränkte Schuldfähigkeit würde das mögliche Strafmaß maßgeblich beeinflussen. Sollten die Experten Pistorius hingegen für voll schuldfähig halten, wäre das ein enormer Rückschlag für seine Verteidiger.

Die Studie habe auch das Potenzial, die Glaubwürdigkeit von Pistorius weiter zu erschüttern, sagt der Rechtsexperte Karthy Govender von der Universität von KwaZulu-Natal. Immerhin muss der unterschenkelamputierte Sportler die Richterin davon überzeugen, dass er in jener Nacht zum 14. Februar 2013 seine Freundin wirklich nur aus Versehen erschossen habe, weil er einen Einbrecher hinter der Toilettentür vermutete. Je labiler, unberechenbarer oder gar latent aggressiver Pistorius beschrieben werden würde, desto geringer sind seine Chancen, dass man ihm glaubt. dpa/nd

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