International aufgestellt

In Berlin trafen sich Betriebsräte aus der Lebensmittelindustrie

  • Jörg Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.
In einem Seminar tauschten sich Betriebsräte aus ganz Deutschland über die grenzüberschreitende Betriebsratsarbeit in internationalen Unternehmen aus. Was tun, gegen oktroyierte Standortkonkurrenz?

Ein Kennenlernspiel zu Beginn des zweitägigen Seminars: Die rund 60 Betriebsrätinnen und Betriebsräte aus der Lebens- und Genussmittelindustrie, die in einem Berliner Hotel zusammengekommen waren, sollten sich im Raum verteilen. Die Fragen: »Hat euer Unternehmen einen Europäischen Betriebsrat (EBR)?« oder »Wo ist die Zentrale des EBR?« Erst bleiben alle auf einer Seite des Raumes stehen, »nein, kein EBR«, dann nach kurzer Diskussion unter KollegInnen, Gelächter, alle gehen auf die andere Seite. Klar gibt es bei Coca Cola, Nestlé und Co. Eurobetriebsräte.

»Grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Arbeitnehmervertretung zur Absenkung der Standortkonkurrenz« war der Titel des Seminars. »Es gibt einen Unterschied zwischen der Lebensmittelindustrie und beispielsweise den Automobilzulieferern«, sagte Markus Dieterich, Referent im Gesamtbetriebsrat der Coca Cola Erfrischungsgetränke AG (CCE AG). »Ob ein Betrieb geschlossen wird, ob investiert oder umgebaut wird, wird bei uns nicht vor Ort beschlossen, sondern in Konzernzentralen anderswo.« Es werde »zentral verwaltet« und Standorte weltweit vergleichbar gemacht, »harmonisiert«, so Dieterich weiter. Dadurch, dass beispielsweise der indische Arbeiter mit dem niederländischen vergleichbar, so wird Druck aufgebaut, der Standort, der nicht spurt und spart, wird dichtgemacht. Dieses Druckpotenzial ist in den letzten 20 Jahren enorm gestiegen, das Kapital mobiler als die Arbeitnehmerin.

»Die Arbeitgeber versuchen Belegschaften zu spalten, zu entsolidarisieren und letztlich gegeneinander auszuspielen«, sagte die Vorsitzende der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Michaela Rosenberger, in ihrem Grußwort am Montag. Auf nationaler Ebene gelinge es »ganz gut« dem etwas entgegenzusetzen. Mit 41 000 Mitgliedern in der Lebens- und Genussmittelindustrie sei die NGG gut aufgestellt. Auf der internationalen Ebene müsse aber mehr getan werden, die Beschäftigten müssten ihre Schlagkraft erhöhen, etwa indem sie die internationalen Lebens- und Nahrungsmittelgewerkschaftsverbänden EFFTA und IUL besser unterstützten und auch nutzten.

Ein großes Problem ist auch die Rechtslage. Zwar wurde die 1994 erstmals verabschiedete Richtlinie zu Europäischen Betriebsräten vor drei Jahren novelliert. Darin geregelt sind Informations- und Konsultationspflichten von gemeinschaftsweit agierenden Unternehmen. Doch die Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen sind in den Mitgliedstaaten höchst unterschiedlich, sagte Frank Siebens, der im ver.di-Vorstand unter anderem für europäische Betriebsräte zuständig ist. Während in Frankreich Gerichte eines Renault-Werkes verboten, so lange der EBR nicht angehört war, ist die Höchststrafe in Deutschland bei 15 000 Euro - ein Fall für die Portokasse. Beispielsweise unrechtmäßige Standortschließungen per Eilverfahren zu verhindern ist gar nicht vorgesehen. »Im Prinzip greift das Recht des Landes, in dem ein Standort ansässig ist«, so Siebens. Per Vereinbarung könne das aber geändert werden.

Aber die Beschäftigten müssen ihre EBR auch nutzen, sagte die Wissenschaftlerin Karoline Mis. Das sei besonders bei westeuropäischen Betriebsräten häufig nicht der Fall. Und so war ein Ziel des von der NGG organisierten Seminars auch, das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass man nur gemeinsam etwas gegen Standortkonkurrenz unternehmen kann - über alle Grenzen hinweg.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal