Cohn-Bendit: Grüne sollen Juncker unterstützen

Trotz aller Kritik an EVP-Mann: Stärkung des Europaparlaments möglich / Giegold nennt «vier Anforderungen» / Harms: Wollen keinen Kommissionspräsidenten, der wieder Merkels Mann in Brüssel ist

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Der Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit hat seine Partei zur Unterstützung des Konservativen Jean-Claude Juncker im Machtpoker um das Amt des EU-Kommissionsvorsitzenden aufgerufen. «Ich habe viel zu kritisieren an Juncker, aber ich rate in diesem Fall den EU-Abgeordneten, sich hinter ihn zu stellen», sagte der scheidende Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Europaparlament der «Frankfurter Rundschau». Das Parlament müsse intelligent handeln und dem Europäischen Rat vor dem nächsten Gipfel klar sagen, dass Juncker eine Mehrheit habe. «Denn dann erleben wir wirklich die Weiterentwicklung der europäischen Demokratie.» Er empfehle den Grünen daher dieses Mal, Juncker trotz aller Kritik eine Mehrheit zu sichern.

Die Europäische Volkspartei war als Sieger aus der Europawahl hervorgegangen. Um deren Spitzenkandidaten Juncker wird seitdem aber gerungen - nach scharfer Kritik an ihrem bisherigen Zögern hatte sich am Freitag auch Angela Merkel für den luxemburgischen Christsozialen als neuen EU-Chef ausgesprochen. Zuvor hatte Merkel diese Festlegung vermieden, was beim Koalitionspartner SPD auf Kritik gestoßen war. Die Opposition sprach von Wahlbetrug, da zuvor der Eindruck erweckt worden war, einer der Spitzenkandidaten der großen Parteienblöcke - Juncker oder der Sozialdemokrat Martin Schulz - würde auch EU-Chef werden.

Auch der Spitzenkandidaten der Grünen für die Europawahl, Sven Giegold, bekräftigte, dass die Grünen «grundsätzlich bereit» seien, Juncker mitzuwählen. Giegold nannte dafür «vier Anforderungen», darunter «eine echte europäische Energie- und Klimapolitik. Auch wolle man »das EU-US-Freihandelsabkommen auf neue Füße stellen«, so der Grüne, dem umstrittenen TTIP müssten »mindestens mal die Giftzähne gezogen werden«. Nicht zuletzt brauche »es einen neuen Aufbruch in der europäischen Demokratie«, wozu mehr Bürgerbeteiligung und eine Begrenzung des »überbordenden Lobbyismus« gehörten, sagte Giegold im Deutschlandfunk.

Schon zuvor hatte Giegold erklärt, die Grünen »gehören nicht in das eine oder andere Lager. Für uns sind grundsätzlich beide Kandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten wählbar. Giegold sagte mit Blick auf die Frage des EU-Kommissionschefs gegenüber der «Rheinischen Post», man habe «vor der Wahl auch nie eine Präferenz entweder für Jean-Claude Juncker oder Martin Schulz geäußert. Der Grünen-Politiker ließ zugleich erkennen, dass der Sozialdemokrat Schulz sich mit seinem als nationalistisch kritisierten Wahlkampfendspurt »nicht unbedingt für das Amt des Kommissionspräsidenten empfohlen« habe. Der SPD-Mann hatte Wahlanzeigen schalten lassen, auf denen es hieß: »Nur wenn Sie Martin Schulz und die SPD wählen, kann ein Deutscher Präsident der EU-Kommission werden.« Auch Cohn-Bendit hatte dies unmittelbar nach der Wahl scharf kritisiert.

Ob die Grünen Juncker im Europaparlament unterstützen, macht die Europapolitikerin Rebecca Harms vom Verlauf der Verhandlungen abhängig, die nun zwischen Kandidaten und Parlament anstehen. Fest stehe für sie jedoch: »Wir wollen nicht einen Kommissionspräsidenten, der wieder der Mann von Merkel in Brüssel ist. Kommissionspräsident Barroso hat sehr stark nach der Pfeife von Frau Merkel getanzt.« nd/mit Agenturen

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