Wirtschaftsmisere in den USA

Konjunkturschwäche und hohe Arbeitslosigkeit setzen Regierung und Notenbank unter Druck

Um die Konjunktur der US-Volkswirtschaft ist es derzeit nicht gut bestellt. Die Notenbank wird die Niedrigzinsphase deshalb noch lange fortsetzen.

Die Wirtschaft der USA ändert ihren Rhythmus. Jahrzehntelang musste sie nicht nur wachsen, sondern das auch noch schnell. Damit scheint es vorbei zu sein. Laut einer Anfang dieser Woche veröffentlichten Prognose des Internationalen Währungsfonds dürfte das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in den kommenden Jahren im Mittel wohl nur rund zwei Prozent betragen. Ein Rückschritt, denn vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis zur Rezession von 2007 bis 2009 wuchs die Wirtschaft um durchschnittlich 3,4 Prozent pro Jahr.

Auch Finanzminister Jack Lew zweifelt nicht an, dass langsames Wachstum der US-Volkswirtschaft zur »neuen Normalität« werden könnte. »Viele Menschen fragen sich heute, ob Amerika seine starken Wachstumsraten halten kann. Und es gibt Zweifel, ob die Leistungen in Technologie, Innovation sowie der Wohlstand breiten Schichten zugute kommen«, so Lew bei einer Rede vor dem »Economic Club« von New York. Er ist jedoch überzeugt, dass Unternehmer und Politik den Trend umkehren könnten und verwies auf »historisch hohe Bar-Beständen« von geschätzten zwei Billionen Dollar, die Konzerne wie Apple, Exxon-Mobil, Wal-Mart und andere als Reserven halten. »Was wir jetzt brauchen, ist, dass die Unternehmen Investitionen in die Zukunft tätigen«, sagte Lew. Der Minister forderte den US-Kongress auf, Präsident Barack Obamas Vorschlag zu billigen, rund 50 Milliarden Dollar für neue Straßen, Brücken, Flughäfen und andere Infrastrukturmaßnahmen auszugeben. Aber zumindest bis zu den Zwischenwahlen im November wird die republikanische Opposition großen Ausgabeprojekten der Regierung wohl nicht zustimmen.

Das langsame Wachstum hat in einen Teufelskreis geführt: Die Wirtschaft kann die Monat für Monat neu auf den Arbeitsmarkt drängenden etwa 200 000 Menschen nicht alle in Jobs unterbringen. Mit dem Anwachsen der Arbeitslosenzahl bleiben die Löhne niedrig oder sinken sogar. Derzeit liegt die Arbeitslosenrate bei 6,3 Prozent. Und Millionen von US-Amerikanern, die es aufgegeben haben, nach Arbeit zu suchen, sind gar nicht erfasst.

Die schlechten Sozial- und Wirtschaftsdaten setzen auch die US-Notenbank Fed unter Druck, länger als bisher beabsichtigt an ihrem historischen Niedrigzins festzuhalten. Sie begründet ihn ja unter anderem mit den hohen Arbeitslosenzahlen. Vor der Entscheidung des Offenmarktausschusses über den künftigen geldpolitischen Kurs am Mittwochabend wurde daher gerätselt, ob die Fed ihre milliardenschweren Anleihekäufe zur Stützung der Wirtschaft weiter reduzieren wird. Außerdem erhofften sich Analysten neue Hinweise darauf, wie lange die Fed den Niedrigzins zwischen null und 0,25 Prozent beibehalten wird. Bislang wurde eine Erhöhung für Mitte 2015 erwartet.

Derweil drücken langfristige Trends auf die Wachstumserwartungen. Nach Erhebungen des Haushaltsbüros des US-Kongresses kommen Millionen weniger Einwanderer als von der Regierung geschätzt ins Land, und die Geburtenrate in den USA geht zurück. Politiker auf Bundes-, Staats- und lokaler Ebene haben Sparprogramme durchgesetzt, so dass die Ausgaben der öffentlichen Hände gegenüber 2007 um acht Prozent gesunken sind. Die Unternehmen haben viele wichtige technische Neuerungen bereits hinter sich. Und der Immobilienmarkt dümpelt weiter vor sich hin.

Nachdem das BIP im ersten Quartal 2014 um ein Prozent geschrumpft war, werden Befürchtungen laut, dass die USA wieder in eine Rezession zurückfallen könnten. »Die Wahrscheinlichkeit, dass die Wirtschaft schrumpft, ist sehr viel höher, wenn die Wachstumsrate nahe bei Null liegt«, sagte Wirtschaftsprofessor Robert Hall von der Stanford University. Andere Wirtschaftler sehen jedoch nicht so düster und sprechen von »verzögertem Aufschwung«.

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