An der Küste von WiFi

Urlaub mit Freunden und Kollegen im Gepäck: Ein Internethotel im Selbstversuch

  • Marlene Göring
  • Lesedauer: 6 Min.

Ungläubig starre ich es an. Da liegt mein Laptop, unschuldig in der Mitte des Hotelbetts. Normalerweise ist das erste, wenn ich nach Hause komme: Tür zu, Klappe hoch, Klick auf den Power-Knopf. Im Urlaub habe ich das kleine Weiße bisher eher angezogen als an die Steckdose angeschlossen. Aber das hier ist schließlich ein Internethotel! Ich werfe mich auf die Matratze und lasse den Bildschirm aufleuchten.

Das Paloma Grida Village in Belek an der türkischen Riviera ist eines von zehn SunConnect Hotels. Thomas Cook startete mit dem Konzept Anfang des Jahres. Es gibt sie außer in der Türkei auch in Spanien, Kroatien, Tunesien und Zypern. Geo-Caching, drahtlose Internetverbindung (WiFi) bis zum Strand und ein Online-Forum für die Gäste sollen aber keine Technikfreaks anlocken, sondern »onlineaffine Familien mit Kindern im Teenageralter«.

Mein Laptop surrt jetzt leise vor sich hin. Die Internetverbindung ist angenehm stabil. Die Welt ist also noch da und fliegt mit zackigen 16 000 Bit pro Sekunde in mein Hotelzimmer. Mit dem Paloma Grida Village hat sie wenig zu tun. Das ist äußerlich ein ganz normales Ferienresort und ein eigener kleiner Planet: blaues Meer und Häuschen, die ein bisschen so aussehen, als könnten sie aus Plastik sein, Shops, Cafés und kleine Gassen, die irgendwie alle am Pool enden.

Ich habe zu lange am Rechner gedaddelt, für das Frühstück ist keine Zeit mehr - wenn ich rechtzeitig meinen SunConnectScout treffen will. An der Rezeption erklärt mir Animateur Michael sonnengebräunt und mit Surferfrisur, wie die Wall funktioniert: Ein riesiger Touchscreen, auf dem ich mich durch Animationsprogramm und Geländeplan klicken kann. Die gleiche Oberfläche kann ich auch mobil auf dem Smartphone aufrufen. Das Message Board, auf dem sich die Hotelgäste verabreden können, ist ziemlich leer. Trotzdem versuche ich es: »Jemand Lust auf Volleyball?«. Bei der Tour durchs Hotel suche ich vergeblich kleine Gadgets, wie sie die Nerds in Zuckerbergs Facebook-Campus in Menlo Park haben: keine SD-Karten-Automaten, keine Laufbänder mit Bildschirm und Maus davor oder antik anmutende Telefonzellen, in denen man skypen kann.

Michael führt mich zur TeenLounge. Dort veranstaltet er manchmal Autorennen und Basketballturniere mit seinen jugendlichen Schützlingen - am PC. Das Drinnen verschluckt die türkische Sonne ohne Vorwarnung. Ich fühle mich in die Spielothek hinter dem Kölner Hauptbahnhof versetzt, in die ich mich mal verirrt habe. Nur, dass es statt nach Bier nach Kinderfuß riecht. Im ersten Raum spielt ein Vater mit seinem Sohn Billard, der zweite ist gesäumt von breiten PC-Bildschirmen. Davor hängen Zehnjährige, die Schultern schlaff, der Blick starr, und fahren durch die Straßen San Franciscos oder spielen Fußball gegen die spanische Nationalmannschaft. »Mittags und abends schließen wir eine Stunde«, erklärt mir Michael. »Hier sitzt keiner den ganzen Tag herum.«

Mittlerweile haben sich meine Augen an das kalte Licht gewöhnt, und ich entdecke zwei Mädchen, die vor einem Bildschirm hin- und herhopsen. Bereitwillig erklärt mir mein Scout, wie man die XBox Kinect bedient: mit dem ganzen Körper. Ein Sensor registriert jedes Kniebeugen. Ich muss jedes Mal lachen, wenn ich vergeblich versuche, der Maschine klarzumachen, was eine Bewegung eigentlich bedeuten sollte. Ja, damit könnte ich auch Stunden verbringen - aber will nicht die komische alte Truse sein, die den Teenagern die ganze Zeit ihr Spielzeug blockiert.

Nebenan werden die ganz Kleinen bespaßt. Hier ist es viel heller und alles quietschebunt, an den Wänden hängen Skateboards. Neben Bällebad und Bastelecke wieder: Bildschirme. Auf denen sollte man eigentlich nur Angry Birds für Dreijährige spielen können. Ich schaue die Laufwerke genauer an, entdecke einen Ordner und klicke. Ein Spiel öffnet sich: 13 Nights in Hell, ein Zombie schaut mich an. Ich schaue fragend Michael an. Schockiert ruft er den Techniker und lässt es löschen. »So was gibt es hier natürlich nicht zum Spielen!«, jemand müsse das runtergeladen haben.

Das dürfte aber gar nicht so einfach sein, wie ich später allein mit meinem Laptop am Strand feststelle. Die gängigen Pornoseiten sind gesperrt, Google verweigert die Suche nach allem, was nach Sex und Totschlag klingt. Für einen Laien nicht so schnell zu umgehen. Genauso wie die Youtube-Sperre, auferlegt von einem Ministerpräsidenten, der sich vor einem türkischen Frühling fürchtet. Ich frage einen Kellner - wieso läuft das nicht, GEMA oder was? »Youtube funktioniert hier nicht«, ist seine Antwort, die nichts erklärt.

Zehn Meter neben mir liegen Are und Grietje aus den Niederlanden. Seit etwa drei Stunden halten sie ihre Ipads in den Händen und haben kein Wort miteinander gesprochen. Dabei sind sie ganz redselig, als sie mir erzählen, wofür sie das Notebook im Urlaub brauchen: »Zum E-Mails Schreiben, Lesen, Nachrichten Gucken, Freunde Kontaktieren, Fotos nach Hause Schicken, und und und!« Das Paar Ende 50 arbeitet auch von unterwegs. Eine zehn bekommt WiFi auf ihrer Wichtigkeitsskala für den Urlaub.

Die Schwestern Linda und Sarah aus Niedersachsen sehen das genauso. Sie sind mit ihren Eltern hier. »Würdet ihr auch mitkommen, wenn die einen Urlaub buchen, wo es kein Internet gibt?« Die Teenager machen lange Gesichter. »Nee!« Wo soll das denn überhaupt sein? Ohne die Whatsapp-Gruppe auf dem Smartphone mit ihrer halben Klasse drin fährt Linda nirgends hin.

Meine Freunde arbeiten jetzt und haben wohl keine Zeit zum Chatten. Mir gehen langsam die Ideen aus, was ich eigentlich noch mit dem Laptop anstellen soll. Dann tue ich etwas, was ich später mit journalistischem Interesse tausendfach rechtfertigen werde müssen. Ich fotografiere mein Essen. Dann lade ich das Bild auf Facebook hoch. Das habe ich vorher noch nie getan. Auf meine Volleyball-Anfrage auf dem Message Board hat keiner der 1200 Gäste geantwortet. Dafür regnet es Kommentare über meinen sorgfältig am Buffet entworfenen Mittagsteller. Wo ich denn bin, und ob es mir gut geht?

Infos:

SunConnect Hotel »Paloma Grida Village&Spa« IIskele Mevkii, 07500 Belek, Türkei +90 242 715 1500
Zum Beispiel sieben Über- nachtungen mit All-Inclusive- Verpflegung, Flug und Transfer ab Stuttgart am 19. Oktober 732 Euro pro Person (mit Neckermann Reisen). Preis pro Kind (zwei bis 13 Jahre) ab 359 Euro.

Info und Buchung unter anderem auf:
www.sunconnectresorts.de
www.thomascook.de
www.neckermann-reisen.de

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