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CDU sucht Sound der City

Jetzt will auch Generalsekretär Tauber seine Partei für den modernen Großstädter öffnen

  • Marcus Meier
  • Lesedauer: 4 Min.
Die CDU hadert nach einer Serie verlorener Oberbürgermeisterwahlen mit ihrer mangelnden Attraktivität für Großstadtbürger. Wie soll sie umsteuern, ohne ihre ländlich-konservativen Wähler zu verprellen?

Die CDU habe kein Gespür für das Lebensgefühl von Großstädtern, glaubt der Generalsekretär der Partei, Peter Tauber. Mit Blick auf jüngst verlorene Oberbürgermeistersessel in Düsseldorf und Braunschweig sagt der gelernte Historiker: »Wir wissen natürlich, dass Großstädte für die CDU kein ganz einfaches Pflaster sind. Wir müssen uns noch stärker der Aufgabe widmen, das städtische Lebensgefühl überall richtig zu treffen.« Nach einer Vorstandssitzung am Montag kündigte Tauber eine inhaltliche und organisatorische Parteireform an. Die CDU solle jünger, weiblicher und bunter werden, fordert der 39-Jährige.

Köln, Essen, Stuttgart, Frankfurt am Main, Wiesbaden, Duisburg, Hamburg: Die CDU hat in den fünf letzten Jahren viele wichtige Großstädte verloren. Längst werden die zehn größten Städte Deutschlands, darunter alle drei Stadtstaaten, von Sozialdemokraten geführt. Nur in Stuttgart regiert mit Fritz Kuhn ein Grüner, und erst auf Platz elf kommt die erste christdemokratische Oberbürgermeisterin: Helma Orosz, Dresden. Ihr Wahlerfolg ist so ungewöhnlich, dass die konservative »Welt« über »das Erfolgsgeheimnis der letzten CDU-Großstadt« zu spekulieren sich bemüßigt fühlte. Orosz habe ein offenes Ohr für Schwule und Lesben, grenze Nazis aber rigoros aus. Außerdem moderiere und manage sie Politik im modernen Stile ihres Vorbilds Angela Merkel und das skandalfrei - analysiert zumindest das Springer-Blatt.

Mit ihrer, nun ja, urbanen Offenheit ist Orosz die Ausnahme von der CDU-Regel, glaubt man ihrem Parteifreund Tauber. »Die CDU bietet Konservativen eine Heimat. Sie muss aber auch für andere, die sich nicht konservativ nennen, attraktiv sein«, forderte der CDU-General Ende Mai in einem Interview mit der »Tageszeitung«. Nebenher outete der Frankfurter sich bei der Gelegenheit als einstiger Gitarrist einer Punkband.

Netter Versuch. Doch »Frauen, Junge, Zuwanderer« - Taubers Zielgruppen also - bevorzugen in der Regel andere Musikstile. Ebenso der urbane Weltbürger. Auch wird die fehlende Verankerung der CDU in großstädtischen Milieus bereits seit Jahren diskutiert. Immer wieder wird eine Öffnung für urbane und ökologische Themen gefordert. Mahner pflegen dann zu kontern: Das darf nicht auf Kosten der ländlichen Stammwählerschaft gehen! Kurzum: Die Debatte dreht sich im Kreise. Und das nicht erst seit gestern.

Bereits 2002 etablierte die CDU einen Arbeitskreis »Große Städte«. 2004 präsentierten der damalige Chef der NRW-CDU, Jürgen Rüttgers, und Paul Nolte, Historiker wie Tauber, als Ergebnis ein »Großstadtkonzept«: Die CDU habe sich zu lange auf ihre katholisch-ländlichen Hochburgen konzentriert und sollte nun auf bürgerlich-grüne Wähler zugehen. Modernisierte Positionen zu Homo-Ehe und Verbraucherschutz forderten der Politiker und sein Berater.

Acht Jahre später, also 2012, begannen die Bundestagsabgeordneten Matthias Zimmer und Marcus Weinberg wieder bei Null. In einem internen Papier schrieben sie: Neben ihren »traditionellen Kompetenzfeldern« Wirtschaft, Finanzen und Sicherheit müsse die CDU auch »urbane Themen« erschließen, beispielsweise Kita-Ausbau, Integration und benachteiligte Stadtteile. Die CDU solle gar eine »Partei der Nachhaltigkeit« werden, offen sein für Attac und Umweltverbände, gleichzeitig aber auch als »Verteidiger der ethischen Grundsubstanz« firmieren.

In NRW experimentierte man auf dieser Basis. Mit Norbert Röttgen und Armin Laschet (der nun für Tauber als Leiter einer Arbeitsgruppe den Modernisierungsvordenker geben soll) standen zwei als liberal und grünenfreundlich geltende Landeschefs nach Rüttgers Abgang an der Spitze der NRW-CDU. Doch nach der historischen Niederlage bei der Landtagswahl 2012 klagte der Generalsekretär der NRW-CDU, Oliver Wittke, seine Partei habe im Wahlkampf zu stark auf »Modernisierungsthemen« wie Integration und Energiewende gesetzt. Und dabei ihre klassische Klientel in Landwirtschaft und Mittelstand vernachlässigt.

In der Tat sehen ja viele (einstige) Anhänger den konservativen Markenkern der CDU durch zu viel Toleranz für muslimische Parteifreunde, Schwule, Windräder und Lesben gefährdet. Ganz anders denkt Bernd Petelkau, Partei- und Fraktionschef der Kölner CDU. Petelkau kann sich ein Zweckbündnis aus CDU, FDP und - kein Tippfehler - Linkspartei vorstellen, um in der viertgrößten Stadt Deutschlands SPD-Bezirksbürgermeister zu verhindern und stattdessen solche von der CDU zu etablieren. So pragmatisch dürften aber nicht einmal die durchaus toleranten Kölner LINKEN sein.

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